Cookie

Dienstag, 29. April 2014

Matthias Koeppel, Requiem für Luise


Im Berliner Ephraim-Palais läuft zur Zeit unter dem Titel „Himmel, Berlin!“ eine Ausstellung mit den Bildern Matthias Koeppels.
 
Matthias Koeppel hat seit den achtziger Jahren viele Berlinbilder gemalt. Zur 750-Jahr-Feier 1987 trug er dieses Bild bei. Abgebildet sind die Humpe-Sisters: Annette und Inga Humpe gehörten zu den Schaumkronen der Neuen Deutschen Welle. Annettes Blaue Augen (1981) und Ingas Ich düse im Sauseschritt (1983) haben noch heute großen Wiedererkennungswert. Zwischen 1985 und 1987 hatten sie als Humpe & Humpe eine gemeinsame Band.

Matthias Koeppel, Requiem für Luise
Aber Koeppels Clou ist, dass er die Komposition der beiden Mädchen als Zitat von Gottfried Schadows berühmter Prinzessinnengruppe (1795-97) gestaltet und Requiem für Luise nennt: die Kronprinzessin und spätere Königin Luise von Preußen und ihre Schwester Friederike von Mecklenburg-Strelitz. Luise war sozusagen die preußische Sissi: frisch, fromm, fröhlich, frei. Und sie trat Napoleon entgegen. Das haben die Berliner ihr nie vergessen. Die Reaktion ihres sprichwörtlich wortkargen Mannes auf das von seinem Vater in Auftrag gegebene Standbild: „Mir fatal.“ Unter seiner Herrschaft (Friedrich Wilhelm III.) verschwand es auf Jahrzehnte in einer Rumpelkammer.

Gotffried Schadow, Prinzessinnengruppe
 

Freitag, 25. April 2014

Kaiserdämmerung (7) - Stefan Großmann, Der Papagei

Stefan Großmann, Der Papagei (1916)
Stefan Großmann
Es ist ein Wunder, daß der Papagei des Wirtes Schulze, Ecke der Mühlen- und Kasernenstraße, immer noch lebt. Gott weiß, wie er sich in den lichtlosen Keller verirrt hatte. Aber da saß er nun, ich glaube jahrelang, in dem grauschwarzen, verrauchten, säuerlichen Gewölbe, er, in seiner hellgrünen, feuerroten Lebendigkeit. Ja, er war mißgestimmt, sein Krächzen und Schnarren verriet eine menschenfeindliche Lebensauffassung, seine Federn sträubten sich gegen den Weltenlauf. Wenn die Kutscher, Geschäftsdiener, Straßenbahner und Unteroffiziere an Kokos Käfig herantraten, so riß er seinen scharfen Hakenschnabel mit einem zornigen Ruck herunter. Zwängte sich gar ein fleischiger Finger durch die Stäbe, so versuchte er anfangs, den spitzen Haken in die blöde Fleischmasse einzubohren; aber dabei schlug er den eigenen Kopf an die Stange, und das ergab Migräne, noch verbittert durch das stupide Gelächter des Fingerbesitzers. So wurde er allmählich geistig reif, saß unbewegt in seinem Schaukelring und haßte mit seinen hurtigen Äuglein die Zudringlichen, die ihn umdrängten. Kein Zuruf, kein Zuckerstückchen, keine freche Überraschung konnte ihn mehr von seinem Sitz weglocken!
Zum Weiterlesen bitte hier klicken:

Bildungsbürgertum



„Das Bildungsbürgertum ist in Deutschland weitgehend vom Einbildungsbürgertum abgelöst worden.“

(Das muss doch schon jemand mal gesagt haben, aber ich finde es nicht. Darum bilde ich mir ein, diesen Satz selber erfunden zu haben.)

Dienstag, 22. April 2014

Sonntag, 20. April 2014

Joachim Ringelnatz - Rätselhaftes Ostermärchen



Rätselhaftes Ostermärchen
(nur mit Ei und Eier aufzulösen)

Der FrackverlOher HOnrich OstermOO kehrte am ersten OsterfOOtage sehr betrunken hOm. SOne Frau, One wohlbelObte klOne Dame, betrieb in der KlOsterstraße Onen OOrhandel. Sie empfing HOnrich mit den Worten: »O O, mOn Lieber!« DabO drohte sie ihm lächelnd mit dem Finger. Herr OstermOO sagte: »Ich schwöre Onen hOligen Od, daß ich nur ganz lOcht angehOtert bin. Ich war bO Oner WOhnachtsfOer des VerOns FrOgOstiger FrackverlOher. Dort hat Ones der Mitglieder anläßlich der Konfirmation sOner Tochter One Maibowle spendiert, und da habe ich denn sehr viel RhOnwOn auf das Wohl des verehrten JubelgrOses trinken müssen, wOl man ja nicht alle Tage zwOundneunzig Jahre alt wird.« Frau OstermOO schenkte diesen Beteuerungen kOnen Glauben, sondern sagte nochmals: »O O, mOn Lieber!« Worauf ihr PapagO die ersten zwO Worte »O O« wohl drOßigmal laut wiederholte. Über das GeschrO des PapagOs geriet HOnrich in solche Wut, daß er On BOl ergriff und sämtliche OOOO zerschlug. Frau OstermOOwurde krOdeblOch und lief, triefend von Ogelb, zur PolizO. Ihr Mann aber ließ sich erschöpft auf Onen Stuhl nieder und wOnte lOse vor sich hin. Bis ihm der PapagO von oben herab On OsterO in den Schoß warf. Da war alles vorbO.

[Aus: Joachim Ringelnatz, Kinder-Verwirr-Buch, 1931]

Freitag, 18. April 2014

Kaiserdämmerung (6) - Joseph Roth, Von Hunden und Menschen

Joseph Roth, Von Hunden und Menschen (1919)
Der Neue Tag, 1. 8. 1919
Joseph Roth
Zu den vielen Straßenbildern des Wiener Kriegselends hat sich seit einigen Tagen ein neues gesellt: ein vom Kriege zum rechteckigen Winkel konstruierter Mensch – Invalide mit Rückgratbruch – bewegt sich auf eine fast unerklärliche Weise durch die Kärntnerstraße und kolportiert Zeitungen. Auf seinem, mit dem Trottoir eine Horizontale bildenden gebrochenen Rücken sitzt – ein Hund. Ein wohldressierter, kluger Hund, der auf seinem eigenen Herrn reitet und aufpaßt, daß diesem keine Zeitung wegkommt. Ein modernes Fabelwesen: eine Kombination von Hund und Mensch, vom Kriege ersonnen und vom Invalidenjammer in die Welt der Kärntnerstraße gesetzt. Ein Zeichen der neuen Zeit, in der Hunde auf Menschen reiten, um diese vor Menschen zu bewachen. Eine Reminiszenz an jene große Zeit, da Menschen wie Hunde dressiert und in einer sympathischen Begriffskombination als »Schweinehunde«, »Sch...hunde« usw. von jenen benannt wurden, die selbst Bluthunde waren und so nicht genannt werden durften. Eine Folge des Patriotismus, der die aufrechten Ebenbilder Gottes abhängig machte von vierfüßigen Geschöpfen, die niemals den Seelenaufschwung besaßen, Heldentum und Kanonenfutterage zu bilden und höchstens zur Sanität assentiert werden durften. An der Brust des Invaliden baumelt ein Karl-Truppenkreuz. Am Halse des Hundes hängt eine Marke. Jener mit dem Karl-Truppenkreuz ist ein Leidender. Dieser mit der Marke ein Tätiger. Er bewacht das Leid des Invaliden. Er bewahrt ihn vor Schaden. Das Vaterland und die Mitmenschen konnten ihm nur Schaden zufügen. Diesen hat er es zu verdanken, daß jener ihn bewacht. Oh, Zeichen der Zeit! Ehemals gab es Schäferhunde, die Schafherden, Kettenhunde, die Häuser bewachten. Heute gibt es Menschenhunde, die Invalide bewachen müssen, Menschenhunde als Folgeerscheinung der Hundemenschen. Wie eine Vision wirkte auf mich dieses Bild: ein Hund sitzt auf einem Menschen. Ein Mensch ist froh, von diesem Hunde abhängig sein zu können, da er sich erinnert, wie er von anderen abhängig sein mußte. Gibt es Traurigeres als diesen Anblick, der ein Symbol der Menschheit zu sein scheint? Ringsum lustwandelt der Kriegsgewinn mit der Telepathie und in der Mitte ein berittener Hund! Inferiorität der menschlichen Rasse, Superiorität der tierischen. Wir haben es herrlich weit gebracht durch diesen Krieg, in dem die Kavallerie abgeschafft wurde, damit Hunde auf Menschen reiten können! ...
Josephus
Aus: Joseph Roth, Der neue Tag. Reportagen, 1970 (1919)

Dienstag, 15. April 2014

Am Grab Rudi Dutschkes


Merkwürdiges Gefühl, an seinem Grab zu stehen...

Grab von Rudi Dutschke, St.-Annen-Friedhof Berlin-Dahlem


Freitag, 11. April 2014

Kaiserdämmerung (5) - Hermann Harry Schmitz, Die Promenade

Hermann Harry Schmitz, Die Promenade (1908)

Hermann Harry Schmitz
Paris hat sein Bois, London seinen Hyde-Park, wo sich die elegante Welt zu bestimmten Stunden zu treffen pflegt. Banausingen hatte »die Kastanienallee«, auf der sich der Bürger, der etwas auf sich hielt und das Savoir vivre erfaßt hatte, zwischen 12 und 1 Uhr mittags erging.
Auf und ab pendelte man zu dieser Stunde auf der Kastanienallee, auf und ab.
Sobald man die Promenade betrat, verschwand das Alltagsgesicht; man setzte eine feierliche Miene auf und schritt ernst und gemessen wie ein Ereignis daher. Der Größe des Augenblicks war man sich voll und ganz bewußt, voll und ganz.
Man kannte einander, oder zum wenigsten wußte man, wer der andere war. Man äugte krampfhaft umher, und sobald man einen Bekannten erblickte, grüßte man tief und auffallend. Vor Leuten, mit denen man per »Du« war, denen man am Stammtisch respektlos zurief: »Altes Rindvieh, bist du auch da, wie geht's?« schwenkte man, wenn man sie zur offiziellen Stunde auf der Allee traf, mit der gequälten Grandezza eines Hidalgo den Hut.
Mußte man viel grüßen, so wurde man beneidet und blähte sich in dem Bewußtsein, eine bekannte Persönlichkeit zu sein.
Hatte man einen neuen Anzug oder sonst ein neues Kleidungsstück an, hatte man zum Namenstag einen Pelzkragen, einen Stock mit silberner Krücke oder eine feine Meerschaumzigarrenspitze bekommen, versäumte man nicht, diese Kostbarkeiten, geschwollen vor Einbildung, seinen staunenden, neidischen Mitbürgern vorzuführen.
Frisch Verlobte schoben, ostentativ aneinandergehangen, mit enormem Selbstbewußtsein über die Allee.
Eine bedeutende, außerordentliche Rolle spielte auf der Promenade »der Leutnant« – der Leutnant vom Bezirkskommando, an welchem außer ihm noch ein überreifer Major als Kommandant und ein Feldwebel wirkten. Sonst lag kein Militär in der Stadt. Die Bürger sprachen mit maßlosem Stolz von »der Garnison«.
Die ungeteilte Bewunderung und das ehrfurchtsvolle Interesse der Bürger war auf die Person des Leutnants konzentriert, als dem Idealrepräsentanten des militärischen Gedankens.
Zum Weiterlesen hier klicken: