„Was könnte es
Wohlschmeckendes zu essen geben?
Ein Gnagi?
Gnagi ist ja
gewiss an sich köstlich. Gegen respektables Gnagi nur das Leiseste zu sagen,
halte ich für äußerst unklug und daher untunlich. Es gibt Leute, die in eine
Art von Begeisterung geraten, sobald von Gnagi die Rede ist. Mir persönlich ist
dies freilich unverständlich; ich gestehe freimütig, dass ich um eines Gnagi
willen, und wenn es auch das feinste und pikanteste Gnagi der Welt wäre, keine
drei Meter, beziehungsweise fünf Schritte weit gehen würde.“
Robert Walser,
Träumen, Zürich und Frankfurt am Main 1985, 363f.
Gnagi also. Was
zum Kuckuck ist ein Gnagi? Walser ist Schweizer. Mein letzter Besuch in der Schweiz liegt
lange zurück. Ich kam nicht drauf und fiel bei Wikipedia aus allen Wolken: Beim
Stichwort Gnagi wurde ich zum „Eisbein“ weitergereicht.
Mein Gott:
Eisbein! Schweinshaxe! Herrlich! Ich gehöre zu den Begeisterungsfähigen, von
denen Walsers Ich-Erzähler, wenn auch etwas abschätzig, spricht. Ich würde
tausend Schritte für ein gutes Eisbein tun! Und auch hinterher noch einmal. Obwohl
ich aus meiner Umgebung bei solchem Jubel missbilligend angeguckt werde, habe
ich zuletzt noch Anfang Mai in Berlin beim bayerisch-zünftigen „Maria & Josef“ ein gegrilltes Eisbein gegessen. Dass Eisbein ein fettes und
unverträgliches Essen sei, ist ein unausrottbares Vorurteil. Schon als Student
bin ich immer gerne zu „Haxen-Hanne“ am Wittenbergplatz gegangen. (Gibt’s da nicht
mehr.)Nun noch einmal: „Gnagi“. Für die Schweizer gehört das zum Kulturerbe. Welch wunderschönes Wort haben sie für diese Speise. Man möchte sofort den Knochen in die Hand nehmen und ihn abnagen. „Eisbein“ dagegen fand ich immer irritierend. Wieso „Eis“? Auch zu dieser Frage habe ich erst heute Aufschluss erhalten: Aus dem Schienbein des Schweines hat man früher Schlittschuhe gemacht. Das müsste die Niederländer eigentlich ansprechen.
Aber für
Niederländer ist das essbare Eisbein pure Exotik, denn der hiesige Schlachter
teilt sein Schwein anders auf. Zur Deutlichkeit füge ich eine Zeichnung bei,
die die Position des preußisch-bayerisch-habsburgischen Eisbeins genau zeigt:
Ja, recht hatte der Mann, und irgendwie liegt hier auch noch eine Verbindung mit dem Finanzwesen vor.
Eine Geschichte mit
dem Titel „Essen (I)“ habe ich in dem Band mit seinen Dutzenden Kurztexten
vergeblich gesucht. Also lassen wir’s hierbei. Wenn ich Hunger darauf bekomme, werde ich sie schon finden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen