Das Wort Halloween ist für mich und meine deutsche Generation
vor allem mit dem gleichnamigen großartigen Horrorfilm (1978) von John
Carpenter verbunden. Die jüngeren deutschen und niederländischen Generationen üben sich dagegen in
der globalisierenden Adaption einer schönen amerikanischen Tradition.
Als ich letztens mal zu ganz anderen Zwecken einen Kürbis zu zerteilen versuchte,
wurde mir klar, welchen Gefahren die amerikanischen Hausfrauen & Co sich damit
aussetzen. Aber die tun das schon seit Generationen. Die jungen deutschen
Frauen dagegen müssen noch üben, und das Resultat lässt auch zu wünschen übrig:Cookie
Mittwoch, 31. Oktober 2012
Deutscher Krimi auf Platz 1
Seit langem mal wieder ein deutscher Krimi auf Platz 1 der Bestenliste der ZEIT:
http://www.zeit.de/2012/45/ZEIT-Krimibestenliste-November
http://www.zeit.de/2012/45/ZEIT-Krimibestenliste-November
Die Täterkinder 1945: der Film “Lore” von Cate Shortland
Die australische Regisseurin Cate Shortland hat mit “Lore”(2012)
einen ungewöhnlichen Film zur unmittelbaren Nachkriegszeit gedreht. Das Drehbuch von “Lore” beruht auf dem Roman “The Dark Room” (2001) von Rachel Seiffert (deutsch:
Die dunkle Kammer, 2001): eine subtile Verfilmung eines subtilen Romans über die ideologisch verhetzten
Kinder der Täter in den Trümmern des Dritten Reiches.
Deutscher Kinostart: 1. November. Der Film kommt nicht in
die niederländischen Kinos.
Montag, 29. Oktober 2012
Der Rummel um Rommel: Film mit Ulrich Tukur in der ARD
Am Donnerstag,
dem 1. November zeigt das Erste Deutsche Fernsehen um 20:15 den neuen
Rommel-Film, gefolgt von einer Dokumentation.
Der SPIEGEL
dieser Woche widmet dem Film und dem Mythos Erwin Rommels seine
Titelgeschichte. Der Film hat positive Besprechungen bekommen.
Drs. P - Groningen
Wir hörten Klagen
aus Deutschland, dass der legendäre „Dodenrit“ (Trojka!) von Drs. P dort nicht mehr
(auf YouTube?) verfügbar ist. Zum Trost bietet Café Deutschland sein
Groningen-Video (das hoffentlich nicht gesperrt ist).
Wir wollten
unseren auswärtigen Besuchern schon immer mal einen Eindruck vom Heimatort des
virtuellen „Café Deutschland“ verschaffen. Und wer könnte dazu
geeigneter sein als der niederländische Allround-Künstler Drs. P, ein in der
Schweiz geborener Mann mit österreichischem Vater und niederländischer Mutter,
der während der Besatzungszeit beinahe von den Deutschen füsiliert worden wäre
(hätte er keinen Schweizer Pass gehabt!). Drs. P, "Groningen" (1983):
Sonntag, 28. Oktober 2012
Cloud Atlas & Atlas eines ängstlichen Mannes: Kartografierungen der Gegenwart
Eine schöne Koinzidenz: Fast am selben Tag kommen ein
außergewöhnlicher Film und ein außergewöhnlicher Roman heraus, die das Wort “Atlas”
im Titel tragen und auch sonst einiges gemeinsam zu haben scheinen: “Cloud
Atlas” von Tom Tykwer und Andy Wachowski und “Atlas eines ängstlichen Mannes” des österreichischen Schriftstellers
Christoph Ransmayr.
Ich kenne den zugrundeliegenden Roman “The Cloud Atlas” (2006) von
David Mitchell und vermute von den ersten Rezensionen von Ransmayrs Buch her,
dass es sich hier um zwei verwandte und ambitiöse Versuche handelt, unsere
Gegenwart in künstlerischer Form zu erfassen. Dazu werde ich weitere Beiträge
schreiben.
Der Film aus den Händen von Tywker (“Lola rennt”) und den
beiden Wachowskis (“The Matrix”) hat schon begeisterte Reaktionen ausgelöst. Hier ist der Trailer:
“Cloud Atlas” läuft in Deutschland am 15. November an, in
den Niederlanden am 29. November.
Freitag, 26. Oktober 2012
Raumschiff Orion: Tanz in die Zukunft
Am 17. September 1966 startete im deutschen Fernsehen die
Science-Fiction-Serie “Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion” : am Samstagabend im Hauptprogramm! Für mich als junger Science-Fiction-Fan
war das ein denkwürdiger Tag. Science Fiction fand in Westdeutschland in der
Zeit vor allem in den Roman-Reihen des Heyne- und Goldmann-Verlages statt und
in den Perry-Rhodan-Heften. Das waren Nischen der Trivialliteratur, zu denen
man sich als Gymnasiast nicht zu bekennen wagte.
Nun wurde das Genre vom Fernsehen geadelt! Natürlich habe ich dann alle sieben Folgen gesehen. Die Serie war auch ein großer Erfolg bei vielen Zuschauern, die mit Science Fiction eigentlich nichts am Hut hatten. Bei aller Begeisterung fand ich doch viele Schwächen in den Filmen, die mich damals geärgert haben, aber heute beim Wiedersehen amüsieren.
Der Start der deutschen Serie kam übrigens nur knapp zehn Tage nach der ersten Folge von “Star Trek” in den USA, die in Westdeutschland erst 1972 unter dem Titel “Raumschiff Enterprise” gesendet wurde. “Star Trek” hatte zunächst keinen besonderen Erfolg; das sollte sich aber bald ändern.
Die Serie widmte sich auch den zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklungen
von Mode und Freizeit. Die Kadetten der Raumflotte
konnten sich im “Starlight Casino” unter der gläsernen Kuppel in der Tiefsee dem Alkohol und dem Tanzvergnügen widmen.
Ein Fan hat sich die Mühe gemacht, die Zukunftstänze der sieben Folgen in
YouTube auf die Reihe zu bringen. Auch das hat damals durchaus Aufsehen erregt und begeistert die Fans noch heute:
Raumschiff Orion |
Nun wurde das Genre vom Fernsehen geadelt! Natürlich habe ich dann alle sieben Folgen gesehen. Die Serie war auch ein großer Erfolg bei vielen Zuschauern, die mit Science Fiction eigentlich nichts am Hut hatten. Bei aller Begeisterung fand ich doch viele Schwächen in den Filmen, die mich damals geärgert haben, aber heute beim Wiedersehen amüsieren.
Der Start der deutschen Serie kam übrigens nur knapp zehn Tage nach der ersten Folge von “Star Trek” in den USA, die in Westdeutschland erst 1972 unter dem Titel “Raumschiff Enterprise” gesendet wurde. “Star Trek” hatte zunächst keinen besonderen Erfolg; das sollte sich aber bald ändern.
“Raumschiff Orion” dagegen hatte keine Folgestaffeln. Schade
eigentlich, denn so viel schlechter als “Star Trek” waren sie nicht.
Wahrscheinlich lag es daran, dass die eingebackene amerikanische Go-West-Ideologie
des “The final frontier … To boldly go where no man has gone before” in Deutschland
keine Entsprechung hatte (das deutsche Go-East konnte man ja schlecht romantisch
überhöhen). Und auch die Propagierung des Meltingpots und des friedlichen
Miteinanders der Rassen war in Deutschland noch kein Thema.
Die sieben einstündigen Folgen stehen komplett auf Youtube.
Die erste kann man hier anklicken.
Wem das zuviel ist, der kann sich hier mit zwei kurzen
Sequenzen einen Eindruck verschaffen. Der Raumflughafen auf der Erde lag aus
für mich im Moment unerfindlichen Gründen am Boden des Ozeans. Der Start der
Raumschiffe erfolgte also aus dem Wasser heraus. Das fand ich damals durchaus
eindrucksvoll:
Donnerstag, 25. Oktober 2012
Markus Lüpertz’ Herkules: das i-Tüpfelchen über dem Ruhrgebiet
Von weitem wirkt der Kopf wie eine der unerklärlichen Statuen
von den Oster-Inseln: Der Herkules auf dem Nordsternturm in hundert Meter Höhe
ist kilometerweit sichtbar und gibt der ganzen Region ein Geheimnis. Der
Schacht II der ehemaligen Kohlenzeche Nordstern in Gelsenkirchen-Horst ist mit vier neuen, gläsernen
Etagen gekrönt worden, und darauf erhebt sich die achtzehn Meter hohe Figur.
Ein herkulisches Werk in einer herkulischen Landschaft. Ich habe es am letzten
Wochenende zum ersten Mal aus der Nähe gesehen.
Oben auf der Aussichtsplattform wendet uns Herkules sein Hinterteil zu:
Aus dem grauen Industrierevier der fünfziger Jahre ist ein halbes Jahrhundert später im Rahmen der Kulturhauptstadtplanung für 2010 eine riesige Parkanlage entstanden, über die Markus Lüpertz' neuer Herkules wacht. Er trotzt dem kleingeistigen Gezeter vieler Besucher, die ihm seinen Ort und seine Aufgabe nicht gönnen.
Der folgende Film zeigt uns seine Entstehung:
Markus Lüpertz hat mit seinen Skulpturen in den letzten zehn Jahren des öfteren kleinbürgerlichen Zorn und aggressive Bildersturzbewegungen auf sich gezogen.
Oben auf der Aussichtsplattform wendet uns Herkules sein Hinterteil zu:
Aus dem grauen Industrierevier der fünfziger Jahre ist ein halbes Jahrhundert später im Rahmen der Kulturhauptstadtplanung für 2010 eine riesige Parkanlage entstanden, über die Markus Lüpertz' neuer Herkules wacht. Er trotzt dem kleingeistigen Gezeter vieler Besucher, die ihm seinen Ort und seine Aufgabe nicht gönnen.
Der folgende Film zeigt uns seine Entstehung:
Markus Lüpertz hat mit seinen Skulpturen in den letzten zehn Jahren des öfteren kleinbürgerlichen Zorn und aggressive Bildersturzbewegungen auf sich gezogen.
Mittwoch, 24. Oktober 2012
Neue Kontakte: Wir haben einen kleinen Fehler versteckt. Wer findet ihn?
Die schlauen Verlagsleute von NEUE KONTAKTE haben auf ihren
Werbeansichtskarten mit schönen deutschen Gedichten einen kleinen, aber
entscheidenden, ja geradezu sinnverkehrenden Fehler versteckt und zwar in Eduard Mörikes “Er ist’s”.
Natürlich nur, um die niederländischen Deutschlehrer zu testen. Vielleicht haben sie sogar einen Preis ausgeschrieben, und mir ist das entgangen.
Wer findet ihn? (Nicht schummeln und irgendwo nachgucken!):
Ich bin ja spät dran damit. Wie viele Fehlermeldungen mag der Verlag wohl schon erhalten
haben?
Dienstag, 23. Oktober 2012
George Langelaan / Kurt Neumann: Die Fliege
Vor langer Zeit habe ich eine phantastische Kurzgeschichte
von George Langelaan gelesen. Sie heißt “Die Fliege” (1957) und handelt von
einem missglückten Teleportations-Experiment, bei dem sich die Körper eines Mannes
und einer Fliege vermischen: der Mann bekommt den Kopf einer Fliege, und die
Fliege den Kopf des Mannes, jeweils im passenden Maßstab:
Irgendwann habe ich dann auch im Fernsehen die erste Verfilmung dazu gesehen. Sie stammt von Kurt Neumann, einem Deutschen, der in die USA ausgewandert ist: The Fly (1958). Neumann hat auch einige der späteren Tarzanfilme gemacht.
Irgendwann habe ich dann auch im Fernsehen die erste Verfilmung dazu gesehen. Sie stammt von Kurt Neumann, einem Deutschen, der in die USA ausgewandert ist: The Fly (1958). Neumann hat auch einige der späteren Tarzanfilme gemacht.
Am
Ende des Films wird die Fliege von einem Mann getötet. Es ist natürlich ein Horrorfilm und nichts für
Sechsjährige. Er steht komplett auf Youtube:
Lee Miller 1945: Die Toten im Leipziger Rathaus
Einige der spektakulärsten Fotos von Lee Miller zeigen den
Gruppenselbstmord im Leipziger Rathaus, der sich am 18. April 1945 ereignet hat.
Der Bürgermeister Alfred Freyberg, ein NSDAP-Mitglied mit niedriger
Mitgliedsnummer, und der Stadtkämmerer Kurt Lisso hatten sich, jeweils mit Frau
und Tochter, vergiftet, kurz bevor die amerikanischen Truppen in Leipzig
einzogen. Im Rathaus befanden sich noch weitere Leichen.
Die Filmdokumentaristen der US-Armee haben die Situation beim Einzug in Leipzig in Farbe festgehalten:
Im Internet herrscht einige Verwirrung bezüglich der
Identität der auf den Fotos abgebildeten Leichen und auch im Hinblick auf die
Zuschreibung der Bilder an die beiden amerikanischen Fotografinnen, die am 19. und
20. April ihre Aufnahmen machen konnten: erst Lee Miller am 19. und danach Margaret
Bourke-White am 20. April, kurz bevor die Leichen weggeschafft wurden.
Wir standen in einem überladen eingerichteten Büro, mit sentimentalen Landschaftsbildern an den Wänden und schweren Möbeln, wie sie die Deutschen im neunzehnten Jahrhundert für luxuriös hielten. Auf den massiven Ledermöbeln lehnte eine Familiengruppe, die so intim und lebendig wirkte, dass man kaum glauben konnte, dass diese Menschen nicht mehr am Leben waren. Am Schreibtisch saß Dr. Kurt Lisso, den Kopf in die Hände gelegt, als ob er ausruhen wollte. Auf dem Sofa lag seine Tochter und in dem dick gepolsterten Armsessel saß seine Frau. Die Ausweise und Dokumente der ganzen Familie waren ordentlich auf dem Schreibtisch ausgebreitet, daneben stand die Flasche Pyrimal, mit dem sie sich offensichtlich umgebracht hatten. Dr. Lisso war Stadtkämmerer und Schatzmeister der Stadt Leipzig gewesen, Parteifunktionär mit einer jener niedrigen Mitgliedsnummern, die besagte, dass er es zu den Getreuen der ersten Stunde gebracht hatte. In einem Nachbarzimmer saßen ebenso lebensecht Alfred Freiberg, der Oberbürgermeister, mit seiner Frau und seiner hübschen Tochter Magdalena im Kreis. Auch andere Zimmer in der Nähe bargen solch totenstille und schweigsame Gestalten. Am auffallendsten war der Befehlshaber des Volkssturms in seiner schönen Uniform und mit einem Hitlerbild neben sich.”
Walter Kempowski, Das Echolot. Abgesang ’45. Ein kollektives Tagebuch (München 2005), 49-50
Kurt Lisso mit Frau und Tochter |
Die Filmdokumentaristen der US-Armee haben die Situation beim Einzug in Leipzig in Farbe festgehalten:
Während Lee Miller beziehungsweise ihr Begleiter den
Stadtkämmerer mit Frau und Tochter irrtümlicherweise für die Bürgermeisterfamilie
gehalten haben, gibt Margaret Bourke-White später in ihrem Buch “Deutschland
April 1945” eine korrekte Beschreibung:
“Am frühen Morgen des 20. April, eines Freitags, stürzte
mein LIFE-Kollege Bill Walton zu mir herein. ‘Fahren Sie schnell zum Rathaus,
ehe sie es aufräumen’, sagte er. ‘Da drin sieht es aus wie in Madame Tussauds
Wachsfigurenkabinett!’ […]Wir standen in einem überladen eingerichteten Büro, mit sentimentalen Landschaftsbildern an den Wänden und schweren Möbeln, wie sie die Deutschen im neunzehnten Jahrhundert für luxuriös hielten. Auf den massiven Ledermöbeln lehnte eine Familiengruppe, die so intim und lebendig wirkte, dass man kaum glauben konnte, dass diese Menschen nicht mehr am Leben waren. Am Schreibtisch saß Dr. Kurt Lisso, den Kopf in die Hände gelegt, als ob er ausruhen wollte. Auf dem Sofa lag seine Tochter und in dem dick gepolsterten Armsessel saß seine Frau. Die Ausweise und Dokumente der ganzen Familie waren ordentlich auf dem Schreibtisch ausgebreitet, daneben stand die Flasche Pyrimal, mit dem sie sich offensichtlich umgebracht hatten. Dr. Lisso war Stadtkämmerer und Schatzmeister der Stadt Leipzig gewesen, Parteifunktionär mit einer jener niedrigen Mitgliedsnummern, die besagte, dass er es zu den Getreuen der ersten Stunde gebracht hatte. In einem Nachbarzimmer saßen ebenso lebensecht Alfred Freiberg, der Oberbürgermeister, mit seiner Frau und seiner hübschen Tochter Magdalena im Kreis. Auch andere Zimmer in der Nähe bargen solch totenstille und schweigsame Gestalten. Am auffallendsten war der Befehlshaber des Volkssturms in seiner schönen Uniform und mit einem Hitlerbild neben sich.”
Walter Kempowski, Das Echolot. Abgesang ’45. Ein kollektives Tagebuch (München 2005), 49-50
Ich habe diesen Text in Walter Kempowskis Echolot-Projekt
gefunden, als ich mich auf mein Seminar zum Jahr 1945 vorbereitete. Lee Miller
war mir bekannt, von Margaret Bourke-White habe ich hier zum ersten Mal gehört. Weitere
Großaufnahmen zu dem Geschehen will ich hier nicht zeigen. Sie finden sich im Internet.
Samstag, 20. Oktober 2012
Lee Miller in Hitlers Badewanne
Lee Miller war eine amerikanische Fotografin, die 1945 im
Gefolge der US-Truppen die letzten Kriegsmonate in Frankreich und Deutschland
dokumentiert hat.
Eines der kuriosesten und gleichzeitig historisch
aussagekräftigsten Fotos dieser Zeit wurde von ihrem Freund aufgenommen und
zeigt Lee Miller in der Badewanne in Hitlers Münchener Wohnung am Prinzregentenplatz. Die
beiden haben dort eine Weile gewohnt.
Niemand würde dieses Foto von einem kleinen, beengten Bad für
etwas Besonderes halten, wüsste man nicht, wer darin früher gebadet hat und wer - mit einigen Accessoires inszeniert - nun darin badet.
Was Lee Miller in den befreiten Konzentrationslagern sah,
war - zusammen mit der von ihr erfahrenen völligen
Uneinsichtigkeit der besiegten Deutschen - für sie unbegreiflich und tief erschütternd.
Sie hatte ihr Leben lang Probleme, das Gesehene und Erlebte zu verarbeiten und
hat später alle Kontakte zu Deutschen gemieden.
Eines ihrer verstörendsten Fotos zeigt einen bei der Befreiung von Buchenwald misshandelten
KZ-Wächter. Wer mehr sehen und lesen will, dem
sei das Buch “Lee Miller’s War” von Antony Penrose empfohlen.Freitag, 19. Oktober 2012
Europäischer Monat der Fotografie Berlin
Heute beginnt der 5. Europäische Monat der Fotografie in
Berlin. Wer im Oktober und November nach Berlin kommt, kann dort viele
Fotografie-Ausstellungen sehen. Das Motto ist diesmal “Der Blick des Anderen”. Das Thema spricht
mich besonders an, da ich mich viel mit Fremdbildern in der Literatur
beschäftigt habe. Nun also wirkliche Bilder. Café Deutschland stellt sich
darauf mit ein paar eigenen Beiträgen ein, die – wie es bei meinem beruflichen
Hintergrund nahe liegt – vor allem zeitgeschichtliche Aspekte betreffen.
Ich selbst bin ganz einfach ein schlechter Fotograf und habe
mich auch nur selten mit Fotografie als Kunstform beschäftigt. Aber mir sind in
den letzten Jahren eine Reihe von Fotografien begegnet, die bei mir und in
meinen Computermappen hängengeblieben sind. Ein paar davon werde ich in den
nächsten vier Wochen vorstellen.
Zunächst werden das Bilder vom Ende des Krieges 1945 sein, da
ich mich mit diesem Jahr gerade besonders beschäftige. Das erste Foto wollte
ich dem Zufall überlassen. Ich habe auf Google einfach das Jahr 1945 eingegeben
und die Kategorie “Bilder”. Das erste Foto sollte es sein, und das war ein Hammer:
Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe. Und damit nicht genug: Das Foto ist
signiert von Paul Tibbets, dem Piloten, der diese Bombe (mit dem zynischen Namen
“Little Boy”) abgeworfen hat. Er hatte sein Flugzeug auf den Namen seiner
Mutter, Enola Gay, getauft.
Das Foto zeigt die denkbar extremste Form vom “Blick des
Anderen”: die totale Auslöschung. Dass Paul Tibbets als Vollstrecker der
größten Vernichtungstat eines Einzelnen in der Geschichte dieses Foto mehrfach,
wahrscheinlich systematisch, signiert hat, fand ich dann doch erschütternd.
Sushis in der DDR
Die meisten Wessis haben, schlicht gesagt, sehr einseitige
Vorstellungen vom Leben in der DDR in den vier Jahrzehnten ihres Bestehens.
Auch ich bin nur ein einfacher Wessie, habe aber durch zahlreiche ein- bis
siebentägige Aufenthalte in den siebziger und achtziger Jahren viele Einblicke
in die Lebenswirklichkeit der DDR-Gesellschaft bekommen, darunter auch einige
exotische.
Die Spiegelwebseite “eines tages” bringt heute solch ein exotisches Beispiel: das einzige japanische Restaurant in der DDR und dazu noch ein privates, das von 1966 bis 1986 existiert hat. Viele Westdeutsche wissen nicht einmal, dass private Kleinbetriebe dort in der Zeit möglich waren.
Die Spiegelwebseite “eines tages” bringt heute solch ein exotisches Beispiel: das einzige japanische Restaurant in der DDR und dazu noch ein privates, das von 1966 bis 1986 existiert hat. Viele Westdeutsche wissen nicht einmal, dass private Kleinbetriebe dort in der Zeit möglich waren.
Restaurant Waffenschmied: Übungen mit Stäbchen
|
Donnerstag, 18. Oktober 2012
Geil sei der Mensch, episch und krass – Trends in der Jugendsprache
In der FAZ gibt es einen Artikel zur neuen Bedeutung von “episch”
in der Jugendsprache.
Eine alphabetische Liste zur Jugendsprache ist auch schnell
gefunden, und wer sich für einen akademischen Vergleich zur deutschen und niederländischen Jugendsprache in Raptexten interessiert, findet den in der
Utrechter Bachelor-Arbeit von Carolien Helmond.
Dienstag, 16. Oktober 2012
War Donald Duck ein Nazi? – Walt Disney’s Der Fuehrer’s Face
Mein Faible für
Listen aller Art ist in diesem Blog sicher schon aufgefallen. Dieser Tage habe
ich mich aus irgendeinem Anlass auf der
Liste der Oscars in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“ umgesehen…
Natürlich war es ein politischer Preis; der Film hat dramaturgische Schwächen. Die Szenen am Fließband sind zu lang, und sowieso fehlt es an Phantasie zur cartoonesken Darstellung des Faschismus. Auf jeden Fall aber handelt es sich um eine ganz besondere, exotische Propagandaperle:
Dieser Oscar wird
seit 1932 verliehen. In den dreißiger Jahren hat Walt Disney alle abgeräumt, in
den vierziger Jahren gingen die meisten an Fred Quimby (Tom & Jerry).
Danach wird es bunter, globaler und interessanter.
Aber nichts gegen
Walt Disney; da gibt es manche Perle, und viele kenne ich auch schon. Ich
stutzte nur beim Oscar von 1943: der ging auch an Disney und zwar für seinen
Film Der Fuehrer’s Face. Führer?
Nanu; aber das Jahr 1943 legt nahe, dass es sich um einen amerikanischen
Propagandafilm gegen Hitler handelt. Und in der Tat das ist es. Es schmerzt
allerdings etwas, Donald – und sei es im Traum - in der Rolle eines Nazis zu
sehen.Natürlich war es ein politischer Preis; der Film hat dramaturgische Schwächen. Die Szenen am Fließband sind zu lang, und sowieso fehlt es an Phantasie zur cartoonesken Darstellung des Faschismus. Auf jeden Fall aber handelt es sich um eine ganz besondere, exotische Propagandaperle:
Sonntag, 14. Oktober 2012
Samstag, 13. Oktober 2012
Gerhard Richter kann nichts dafür
Dieses Gemälde wurde heute für 26,4 Millionen Euro
versteigert. Damit ist Gerhard Richter der teuerste lebende Künstler aller Zeiten. Er kann nichts dafür.
Entdeckungen (03): Britta Thie – Model & More
Das hat es natürlich
schon mehrfach gegeben. Schon Veruschka, das erste Supermodel der sechziger
Jahre, ist ein Beispiel dafür, aber dazu gehört eine Leidensgeschichte
(demnächst mehr dazu). Britta Thie scheint in der mädchenverschlingenden
Modewelt von Anfang an dem Moloch ihren eigenen Willen entgegenzuhalten:
Freitag, 12. Oktober 2012
Regen: Joris Ivens und Hanns Eisler im Zusammenspiel
Heute scheint mir ein geeigneter Tag, Joris Ivens’ Stummfilm “Regen” (1929) in mein Blog zu setzen, ein filmisches Gedicht zum Thema “Regen” im Geiste der Neuen Sachlichkeit. Und da Hanns Eisler 1940 hierzu mit “Vierzehn Arten, den Regen zu beschreiben” eine Musik geschrieben hat, ist hier auch die Rede von einem Beispiel deutsch-niederländischer kultureller Zusammenarbeit.
Die restaurierte Fassung von “Regen” mit dieser Musik liegt erst seit 2005 vor. Auf Wikipedia gibt es einen ausführlichen Artikel dazu. “Regen” wurde 2007 in den Kanon der sechzehn besten niederländischen Filme aufgenommen.
Zu Hanns Eisler ließen sich noch tausend Dinge sagen (vgl. die
Länge des Wikipedia-Artikels über ihn), und er wird bestimmt nochmal in diesem
Blog vorkommen. Als er diese Musik komponierte, befand er sich im Exil in den
USA.
Aber jetzt gucken wir entweder aus dem Fenster oder wir
schauen uns diesen schönen Film an:Mittwoch, 10. Oktober 2012
Zitate (02): Der nachträgliche Kosmopolitismus der Niederländer
„Die zweite
Hälfte des Gesprächs war dem von René Gude angeregten Versuch gewidmet, den
Grundgedanken der ‚Theorie der Nachkriegszeiten‘ auf die niederländische
Situation zu übertragen. Wie die Franzosen nach der libération plötzlich neben
den Siegern aufmarschierten, als ob nie etwas gewesen wäre, in doppelter
Heuchelei, links an der Seite Stalins, rechts an der Seite de Gaulles
triumphierend, so haben auch die Niederländer nach 1945 sich etwas vorgemacht
und ihre Nachkriegswirklichkeit auf einem nicht selbst erfochtenen Sieg
aufgebaut. Die nachträgliche nukleare Großmannssucht der Franzosen ist das
formale Äquivalent der nachträglichen kosmopolitischen Umarmungswilligkeit der
Holländer. Die Rückkehr des Realen wird von beiden Ländern Zugeständnisse an
die vergessenen Gläubigermächte fordern.“
Peter Sloterdijk,
Zeilen und Tage (Berlin 2012), 176
René Gude
ist Direktor der Internationale School voor Wijsbegeerte in Leusden. Es geht
hier um die in seinem Buch „De morele
staat van Nederland“ (2006) vertretenen Gedanken.Zitate (01): Geschichtsbilder: Der Esel der Geschichte
Peter Sloterdijk
zitiert in „Zeilen und Tage“ (2012) die folgenden Zeilen von Wilhelm Raabe und
bezeichnet sie als „erstaunliches Zitat“:
„Verkehrt auf dem grauen Esel ‚Zeit‘ sitzend reitet die Menschheit ihrem Ziele zu… Welchem Ziel schleicht das graue Tier entgegen? Ist’s das wiedergewonnene Paradies, ist’s das Schaffott? Die Reiterin kennt es nicht; sie – will es nicht kennen!“
Wilhelm Raabe, Die Chronik der Sperlingsgasse (1856)
Warum ist Sloterdijk wohl so verblüfft? Offenbar wegen der Nähe von Raabes vor mehr als 150 Jahren geschriebener Betrachtung zu dem berühmten Benjamin-Text vom Engel der Geschichte, der in den Benjamin-Renaissancen der sechziger und neunziger Jahre immer wieder als verrätselte Ultima Ratio der modernen Geschichtsphilosophie zitiert wird:
„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.”
Walter Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, Frankfurt am Main 1965, 84f.
„Verkehrt auf dem grauen Esel ‚Zeit‘ sitzend reitet die Menschheit ihrem Ziele zu… Welchem Ziel schleicht das graue Tier entgegen? Ist’s das wiedergewonnene Paradies, ist’s das Schaffott? Die Reiterin kennt es nicht; sie – will es nicht kennen!“
Wilhelm Raabe, Die Chronik der Sperlingsgasse (1856)
Warum ist Sloterdijk wohl so verblüfft? Offenbar wegen der Nähe von Raabes vor mehr als 150 Jahren geschriebener Betrachtung zu dem berühmten Benjamin-Text vom Engel der Geschichte, der in den Benjamin-Renaissancen der sechziger und neunziger Jahre immer wieder als verrätselte Ultima Ratio der modernen Geschichtsphilosophie zitiert wird:
„Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.”
Walter Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, Frankfurt am Main 1965, 84f.
Dienstag, 9. Oktober 2012
Entdeckungen (02): Anne Wenzel, Deutscher Schäferhund
Otto Schaap in seinem Haus, Foto: Thijs Wolzak |
In der Wochenendbeilage LUX der NRC das rührende Bild eines alten Mannes inmitten seiner seit vierzig Jahren gesammelten Kunstobjekte. In der einen Hand hält er ein altmodisches Hörrohr, in der anderen ein iPad. Manche Kunstwerke sind an den Wänden aufgereiht, manche auf dem Boden im Raum. Die merkwürdige Skulptur eines zerfließenden Schäferhundes steht mitten in der offenen Schiebetür, die die beiden Räume des Amsterdamer Herrenhauses verbindet. Man kommt nicht drum rum, darum herumzugehen und es von allen Seiten zu betrachten: “Dit beeld staat voor tanende macht”, sagt sein 1933 geborener Besitzer.
Dieser Hund ist von Anne Wenzel, einer in Rotterdam lebenden
deutschen Künstlerin, von der ich heute zum ersten Mal etwas sehe. Auf dem
Internet finde ich einen ähnlichen Schäferhund und viele Keramikskulpturen, die mich an die
“schuldigen Landschaften” von Armando erinnern. Dennoch ist dies nicht so einfach eine
deutsch-niederländische Geschichte. Anne Wenzel, 1972 geboren, ist eine neue
Generation und hat Neues vor.
Blood & Honour (German Shepherd #1), 2009 |
Silent Landscape, 2006 |
Hans Ulrich Gumbrecht als Primaballerina
Stephan Schlak findet in seiner Besprechung von Hans Ulrich
Gumbrechts “Nach 1945” ein passendes Bild: “Was Gumbrecht als Zukunft der
Geisteswissenschaften anscheinend vorschwebt, ist die Überführung von Theorie
in Ausdruckstanz” (FAZ-Literaturbeilage, 6. Oktober, Seite L 24). Das wird
wohl noch häufiger zitiert werden.
Hinter die Kernthese des Buches vom Ende der Geschichte
setzt er nur einige höfliche Fragezeichen. Danach der Schluß: “Hans Ulrich
Gumbrecht beschirmt kein Engel der Geschichte”. So kann man’s auch machen
(siehe zum Vergleich die Rezension in Café Deutschland).
Montag, 8. Oktober 2012
Deutscher Buchpreis 2012 für einen Vergangenheitsroman
Die Jury des Deutschen Buchpreises hat sich – wieder einmal – für das entschieden, was
im allgemeinen Trend der Zeit liegt: Vergangenheitsliteratur, diesmal: Ursula Krechels Roman “Landgericht”.
Wie im letzten Jahr lag ich mit meinem Tipp für einen großen Gegenwartsroman daneben – 2011 mit “Gegen die Welt” von Jan Brandt, 2012 mit “Indigo” von Christoph Setz . Ich kann damit leben.
So sind die Zeiten nun einmal.
Wie im letzten Jahr lag ich mit meinem Tipp für einen großen Gegenwartsroman daneben – 2011 mit “Gegen die Welt” von Jan Brandt, 2012 mit “Indigo” von Christoph Setz . Ich kann damit leben.
Clemens Setz, Indigo (08): Der Mond
Wenn “Indigo” heute den deutschen Buchpreis gewinnt, werden
Tausende den Roman kaufen, zu lesen anfangen und ihn nach dreißig, fünfzig,
hundert Seiten zur Seite legen, ganz einfach weil er ihren Erwartungen an einen
Roman nicht entspricht. Setz erzählt keine Geschichte, löst nicht das Rätsel
der Indigo-Kinder, obwohl gerade die Verrätselung des Phänomens manchen Leser
bei der Stange halten mag. Nein, er breitet “nur” ein trostloses, auswegloses
Panorama vom Zustand des Menschen in der Gegenwart aus.
Ein Merkmal für die Qualität dieses Romans ist seine Sprache.
Setz findet immer wieder Sätze, die hängen bleiben, große Prosa! Zum Beispiel der
letzte Absatz von ”Indigo” vom armen Mond, der auf uns herunterschaut:
“Vor ein paar Tagen hatte Robert den Mond am Tag gesehen.
Dieses bedauernswerte Versehen im Sonnensystem. Dieser verwirrte Ausdruck, den
er hatte. Die Menschen auf der Brücke, die sich nicht um ihn kümmerten. Es war
schrecklich, ihn so zu sehen. Mit schwerer Schlagseite, halb gekentert im Blau.
Hellweiß und zart wie Gehörknöchelchen. Und kein Zuständiger, kein Notdienst,
dem man es hätte melden können, wie man einen gestrandeten Wal meldet oder eine
junge Katze, die in einer Baumkrone festsaß. Als wäre der Himmel eine
Klebefalle, ausgelegt vor Tausenden Jahren, in der er sich heute Morgen
verfangen hatte und von wo er nun befremdet und zugleich fasziniert herunterstarrte
auf die ihm sonst unbekannten Tageslichtspielarten der Menschen und Tiere,
unfähig, sein Gesicht mit dem halb offenstehenden Krater-Mund auch nur für eine
Sekunde von uns abzuwenden.” (475)
Samstag, 6. Oktober 2012
Wer wir sind: Das dickste Buch auf der Frankfurter Messe
Wäre der Widerstand gegen Hitler so umfangreich gewesen wie
Sabine Friedrichs Buch über dieses Thema, das Dritte Reich wäre in tausend
Stücke zerbrochen: Auf zweitausend Seiten beschreibt die Autorin in “Wer wir
sind” die Schicksale der Mitglieder der Roten Kapelle und des Kreisauer
Kreises, wobei sie historische Korrektheit mit eindringlicher Erzählkraft
verbindet.
Das jedenfalls lässt sich den ersten Rezensionen entnehmen.
Ich habe das Buch nicht gelesen und kann das vorläufig auch nicht tun. Aber es
imponiert mir, und ich möchte auf dieses ungewöhnliche Produkt sechsjähriger
Arbeit aufmerksam machen.
Sabine Friedrich, Wer
wir sind, München: dtv 2012, 2032 Seiten, EUR 29.90, ergänzt um (und nicht
zu verwechseln mit): Wer wir sind. Werkstattbericht,
128 Seiten, EUR 5.90
Freitag, 5. Oktober 2012
Welcher James-Bond-Film spielt in der DDR?
Café
Deutschland gratuliert heute James Bond zu seinem 50jährigen Filmjubiläum: Am
5. Oktober 1962 kam der erste Bond-Film „Dr. No“ in die Kinos. Ich habe alle 23
gesehen (stimmt nicht! Der Dreiundzwanzigste ist noch nicht zu sehen).
Für den bei uns
notwendigen Deutschlandbezug stellen wir die Quizfrage: „Welcher James-Bond-Film
spielt (zum Teil) in der DDR?"
Roger Moore vor dem Todesstreifen |
Antwort: „Octopussy“
(1983). Die Handlung spielt unter anderem in Ost-Berlin und in Karl-Marx-Stadt. Der Film
konnte dort natürlich nicht gedreht werden, aber die Szenen in West-Berlin sind
vor Ort aufgenommen worden. Unser Foto ist allerdings eine Montage.
Donnerstag, 4. Oktober 2012
Literaturbeilagen im Oktober 2012
Im Vorfeld der
Frankfurter Buchmesse erscheinen allerlei Literaturbeilagen in den Zeitungen. Zum Beispiel:
DIE ZEIT:
Donnerstag, 4. Oktober
Frankfurter Allgemeine
Zeitung: Samstag, 6. Oktober
Die Tageszeitung
(taz): Montag, 8. Oktober
Mittwoch, 3. Oktober 2012
Nationalfeiertag: 3. Oktober versus 9. November
Jedes Jahr am 3. Oktober habe ich wieder das ungute Gefühl,
am falschen Tag zum Nationalfeiergefühl gezwungen zu werden. Das will sich dann
auch nicht so recht einstellen.
Der falsche Ort, die falsche Zeit. Der richtige Tag und der
richtige Ort wären natürlich der 9. November und Berlin, wobei für den 9.
November noch viel mehr spricht als allein der großartige und wundersame Tag,
an dem die Mauer fiel: Es ist ein Tag, an dem die richtigen und die falschen,die glücklichen und die schrecklichen Momente der deutschen Geschichte
zusammenkommen.
Okay, es sei so. Gottseidank lebe ich in den Niederlanden, wo der 3. Oktober ein Tag wie jeder andere ist. Ich muss jetzt wieder an meine Arbeit.
Hinzu kommt noch der falsche Ort: Diesmal sind die
offiziellen Feiern in München, da irgendwelche Politiker auf die Schnapsidee
gekommen sind, die zentrale Feier müsse dezentral in den Bundesländern
roulieren. Der Tag der deutschen Einheit auf dem Oktoberfest: Dass ich nicht
lache!
Okay, es sei so. Gottseidank lebe ich in den Niederlanden, wo der 3. Oktober ein Tag wie jeder andere ist. Ich muss jetzt wieder an meine Arbeit.
Dienstag, 2. Oktober 2012
Clemens Setz, Indigo (07): Die Lieblingsromane von Clemens Setz
Im Roman Indigo nennt der Protagonist Clemens
Setz, quer durch das Buch verstreut, immer mal wieder einen Buchtitel als
seinen „Lieblingsroman“. Insgesamt geschieht das fünf Mal:
Wir wissen nicht, inwieweit der Protagonist Clemens Setz mit dem Autor Clemens Setz identisch ist, aber ich denke, wir können davon ausgehen, dass diese Romane für den realen Clemens Setz viel bedeuten und dass sie als eine Art poetologische Wegweiser in diesen Roman eingefügt wurden. Bei aller Unterschiedlichkeit ähneln sie sich und ähnelt Indigo ihnen.
Philip K. Dick,
Ubik (93)
Kobo Abe, Die Känguruhhefte (169)
Halldór Laxness, Am Gletscher (355)
Nathanael
West, Miss Lonelyhearts (369)
Und – als letzter
- von Setz als “mein absoluter
Lieblingsroman” verkündigt (in dem interessanterweise auch eine merkwürdige
„Zone“ vorkommt):
Thomas Pynchon,
Gravity’s Rainbow (447)Wir wissen nicht, inwieweit der Protagonist Clemens Setz mit dem Autor Clemens Setz identisch ist, aber ich denke, wir können davon ausgehen, dass diese Romane für den realen Clemens Setz viel bedeuten und dass sie als eine Art poetologische Wegweiser in diesen Roman eingefügt wurden. Bei aller Unterschiedlichkeit ähneln sie sich und ähnelt Indigo ihnen.
Es ginge zu weit,
das hier im Einzelnen zu verifizieren – dazu müsste ich vier von den fünf auch
erst lesen - aber wer sich die Mühe macht, wird die Verwandtschaft dieser fünf,
mit Indigo sechs – allesamt etwas
mühsam zu lesenden - Romane erkennen. Vorläufig muss Wikipedia helfen.
Ähnliche Listen
ließen sich für die zitierten Musik- und Filmtitel anlegen. Hier nur ein
Beispiel: das Album Great White Death der Gruppe Whitehouse, „ein absolutes Meisterwerk“ (149).Berlin-Gedicht von Marsman an der Niederländischen Botschaft
Die niederländische Botschaft in Berlin hat Ende Juli 2012
anlässlich des 775sten Geburtstages der Stadt das Gedicht “Berlijn” von Hendrik
Marsman an einer blinden Mauer des Gebäudes anbringen lassen, zusammen mit der
deutschen Übersetzung von Ard Posthuma.
Komisch: Ich habe bei dem Wort “kleed” in der ersten Zeile
immer an “tafelkleed” (Tischdecke) gedacht. Warum hat Ard Posthuma sich für “Kleid”
entschieden?
Allerdings: “Der Morgen ist eine besudelte Tischdecke”
klingt auch irgendwie nicht gut. Aber “Teppich” vielleicht?
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