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Sonntag, 18. März 2012

Rothenberge 2012: Es gibt (k)ein Leben neben dem Leben

Die jährliche Veranstaltung im Landhaus Rothenberge steht unter keinem besonderen Thema oder Motto: es geht um interessante deutsche Romane und einen Film aus den letzten Jahren. Diesmal waren das: Wolfgang Herrndorf, Tschick  (2011), Daniel Glattauer, Guten gegen Nordwind (2006), , Annette Pehnt, Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern (2010) und Christoph Hochhäuslers Film Unter uns die Stadt (2011).
Bei aller Unterschiedlichkeit schälte sich doch etwas Gemeinsames heraus: die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, aus dem einmal gewählten oder zugefallenen Leben auszubrechen und heimlich eine zweite Option, ein Second Life zu versuchen. Herrndorf und Glattauer spielen das mit einem für die deutsche Literatur ungewöhnlichen Humor durch, der um so wirksamer ist, als in beiden Fällen ein eher tragischer Hintergrund vorhanden ist, der auch nicht in einem Happy End aufgelöst wird.
Herrndorf ist es gelungen, einen Roman zu schreiben, der gleichzeitig romantisch, sozial- und zivilisationskritisch und überaus vergnüglich ist, ein Roadmovie zweier Jugendlicher, die durch einen kurzfristigen Ausbruch aus ihrer verständnislosen Umgebung Zugang zum Leben und sich selbst erhalten.
Die virtuelle Email-Liebe in Glattauers Roman: ist sie ein Betrug am real existierenden Ehemann, ist sie eine Parallelidentität, die zusätzlich neben der realen funktionieren kann? Das Thema scheint die Leute zu interessieren: der Roman hat schon seit sechs Jahren einen Riesenerfolg mit inzwischen rund einer Million verkauften Exempalren. Seit 2010 gibt es ihn auch als Theaterstück.
Die Erzählungen Annette Pehnts dagegen sind mit einem gnadenlosen und tragischen Realismus erzählt und handeln zum Teil von der Härte des Lebens mit einer Behinderung, die allen Versuchen der Betroffenen und der sie Pflegenden, diese zu überspielen, nachhaltig trotzt.
Hochhäuslers Film spielt in der Frankfurter  Finanzwelt, die von einer menschlichen Kälte durchwirkt ist, die den in ihr agierenden Personen so zur zweiten Haut geworden ist, dass auch ihre Ausbruchsversuche davon bestimmt bleiben: harte, sadistische, unehrliche Worte und Handlungen, aus denen die Liebenden (?) sich nicht befreien können. Der Regisseur entwickelt eine eigene Bildsprache und Ästhetik,um diese Ausweglosigkeit deutlich zu machen. Ein großartiger Film mit einer großartigen Hauptdarstellerin: Nicolette Krebitz!

Aber die Kälte wirkte nach:

Das Wetter in Rothenberge verlockte mit schmeichlerischer Frühlingsluft, die mir am Nachmittag, als ich ohne Jacke hinausgegangen war, plötzlich eiskalt um den Hals fuhr und mit einer Erkältung nach Hause schickte.

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