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Samstag, 24. März 2012

Integrationswunder Bushido

Bei der diesjährigen Verleihung der Echo-Preise hat der deutsche Rapper Bushido den Preis für den kitschigsten Video-Clip erhalten (zusammen mit Peter Maffay und dem Rapper Sido). Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Ich habe mir erspart, die Sendung anzugucken, war wohl auch noch zu mitgenommen von der Bambi-Verleihung im November. Damals habe ich diesen Bericht geschrieben:

Ich will auch einen Bambi!
Ich habe mir die gestrige Bambi-Verleihung im Fernsehen von Anfang bis Ende angesehen. Angesichts der hoch verdichteten emotionalen Verkitschung, falschen Rührseligkeit und zur Schau gestellten Scheinmitmenschlickeit dieser Sendung gehe ich davon aus, dass ich der einzige Zuschauer bin, der sich dieser Tortur freiwillig unterzogen hat und fordere deshalb für mich den „Bambi für den interessierten Zuschauer der Bambiverleihung“.

Warum tue ich mir das an? In Sendungen dieser Art glaube ich einiges über den inneren Zustand der deutschen Nation erfahren zu können. Gerade hinter der Maskerade des zur Schau gestellten Gutmenschentums zahlreicher höchst unterschiedlicher und unterschiedlich begabter Künstler und Aktivisten lassen sich die interessantesten Beobachtungen machen. Der Bambi wird ja nicht für eine besondere künstlerische Begabung oder Leistung verliehen, sondern für die Art, wie der oder die Gekürte damit in der Öffentlichkeit unter irgendwelchen medialen Mäntelchen zu punkten weiß.
Das gilt auch für Bushido: Er bekommt den Integrations- Bambi leider nicht für seinen genialen Rap, sondern für seine vielfachen hochbegabten und wohlberedten Auftritte in Talkshows und anderen öffentlichen Veranstaltungen als der „bekehrte” Sex- und Gewaltgangsta, der seine schlechte Vergangenheit eingesehen und sich zum „guten Jungen“, ja zum Integrationswunderkind gemausert hat. Das ist in der Tat ziemlich unerträglich, egal ob er’s so meint oder nur so tut. Auf jeden Fall hat er verstanden, worauf es ankommt und weiß die Werte und Normen, auf deren Wogen er sich in diese Preisverleihung tragen ließ, perfekt zu bespielen.
Die Teilnehmer dieser Veranstaltung auf der Bühne und im Saal haben diese Werte und Normen so internalisiert, dass viele von ihnen möglicherweise denken, an einer ehrlichen und menschlichen Show teilzunehmen. Jedenfalls können sie so gucken, wenn die Kamera auf sie gerichtet wird. Es ist dann auch eher Beschränktheit oder ein großes Missverständnis und ein Bruch der eigentlichen Werte und Normen des Abends, wenn der männliche Teil von Rosenstolz auf der Bühne einen empörten und moralistischen Protest gegen die Preisverleihung an Bushido äußern zu müssen glaubte. Das hätte er besser sein lassen können, um so mehr, wenn man den kläglichen Gesang des weiblichen Teils von Rosenstolz mit dem fantastischen Rap von Bushido vergleicht, der aber an diesem Abend natürlich nicht aufgeführt werden durfte.

Rap liegt mir eigentlich überhaupt nicht und amerikanischen Rap habe ich mir nie anhören können. Die Musik von Bushido habe ich vor fünf Jahren kennengelernt, als ich neue Textarten für ein Schulbuch suchte und dabei auf Slam Poetry und unter anderem auf das überragende „Wazlav, der Hamster“ von Gabriel Vetter gestoßen bin. In den Poetry Slams tummelte sich auch die begabte deutsche Rapperin Fiva und irgendwann kam mir dann Bushido vor die Ohren. Da bin ich richtig aufgewacht: das schien mir ein authentisch aggressiver Sound von der Straße zu sein, der natürlich von allerlei sexistischen und politisch unkorrekten Formulierungen durchsetzt ist, aber mein Gott, das muss unsere Gesellschaft ja wohl aushalten können. Sein Rap und seine Performance ist besser als alles, was ich in Deutschland gesehen habe. Das sind Texte aus der Wirklichkeit. Wenn ich mir statt dessen lauter glattgestriegelte und mit Harmlosigkeitssiegeln versehene Songs anhören muss:  danke schön!

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