Ein Merkmal für die Qualität dieses Romans ist seine Sprache.
Setz findet immer wieder Sätze, die hängen bleiben, große Prosa! Zum Beispiel der
letzte Absatz von ”Indigo” vom armen Mond, der auf uns herunterschaut:
“Vor ein paar Tagen hatte Robert den Mond am Tag gesehen.
Dieses bedauernswerte Versehen im Sonnensystem. Dieser verwirrte Ausdruck, den
er hatte. Die Menschen auf der Brücke, die sich nicht um ihn kümmerten. Es war
schrecklich, ihn so zu sehen. Mit schwerer Schlagseite, halb gekentert im Blau.
Hellweiß und zart wie Gehörknöchelchen. Und kein Zuständiger, kein Notdienst,
dem man es hätte melden können, wie man einen gestrandeten Wal meldet oder eine
junge Katze, die in einer Baumkrone festsaß. Als wäre der Himmel eine
Klebefalle, ausgelegt vor Tausenden Jahren, in der er sich heute Morgen
verfangen hatte und von wo er nun befremdet und zugleich fasziniert herunterstarrte
auf die ihm sonst unbekannten Tageslichtspielarten der Menschen und Tiere,
unfähig, sein Gesicht mit dem halb offenstehenden Krater-Mund auch nur für eine
Sekunde von uns abzuwenden.” (475)
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Montag, 8. Oktober 2012
Clemens Setz, Indigo (08): Der Mond
Wenn “Indigo” heute den deutschen Buchpreis gewinnt, werden
Tausende den Roman kaufen, zu lesen anfangen und ihn nach dreißig, fünfzig,
hundert Seiten zur Seite legen, ganz einfach weil er ihren Erwartungen an einen
Roman nicht entspricht. Setz erzählt keine Geschichte, löst nicht das Rätsel
der Indigo-Kinder, obwohl gerade die Verrätselung des Phänomens manchen Leser
bei der Stange halten mag. Nein, er breitet “nur” ein trostloses, auswegloses
Panorama vom Zustand des Menschen in der Gegenwart aus.
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