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Montag, 8. Oktober 2012

Clemens Setz, Indigo (08): Der Mond

Wenn “Indigo” heute den deutschen Buchpreis gewinnt, werden Tausende den Roman kaufen, zu lesen anfangen und ihn nach dreißig, fünfzig, hundert Seiten zur Seite legen, ganz einfach weil er ihren Erwartungen an einen Roman nicht entspricht. Setz erzählt keine Geschichte, löst nicht das Rätsel der Indigo-Kinder, obwohl gerade die Verrätselung des Phänomens manchen Leser bei der Stange halten mag. Nein, er breitet “nur” ein trostloses, auswegloses Panorama vom Zustand des Menschen in der Gegenwart aus.

Ein Merkmal für die Qualität dieses Romans ist seine Sprache. Setz findet immer wieder Sätze, die hängen bleiben, große Prosa! Zum Beispiel der letzte Absatz von ”Indigo” vom armen Mond, der auf uns herunterschaut:

“Vor ein paar Tagen hatte Robert den Mond am Tag gesehen. Dieses bedauernswerte Versehen im Sonnensystem. Dieser verwirrte Ausdruck, den er hatte. Die Menschen auf der Brücke, die sich nicht um ihn kümmerten. Es war schrecklich, ihn so zu sehen. Mit schwerer Schlagseite, halb gekentert im Blau. Hellweiß und zart wie Gehörknöchelchen. Und kein Zuständiger, kein Notdienst, dem man es hätte melden können, wie man einen gestrandeten Wal meldet oder eine junge Katze, die in einer Baumkrone festsaß. Als wäre der Himmel eine Klebefalle, ausgelegt vor Tausenden Jahren, in der er sich heute Morgen verfangen hatte und von wo er nun befremdet und zugleich fasziniert herunterstarrte auf die ihm sonst unbekannten Tageslichtspielarten der Menschen und Tiere, unfähig, sein Gesicht mit dem halb offenstehenden Krater-Mund auch nur für eine Sekunde von uns abzuwenden.” (475)

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