Das hat jetzt, auf ganz verblüffende Weise, Hans-Joachim Schädlich getan. Auf 140 Seiten erzählt er historisch korrekt mit vielen Zitaten aus den Briefwechseln der beteiligten Personen, wie sich die Dinge zugetragen haben. Nach der Lektüre bin ich von meiner - im Laufe der Jahre auch schon ein bisschen angeknabberten - Illusion, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hätten ein König und ein Bürger auf gleicher Ebene miteinander umgehen können, gründlich geheilt.
Die Novelle wird auf knappstem Raum erzählt; die Sätze sind oft nicht länger als 3-10 Worte. Dennoch ist Platz genug für zahlreiche Details, viele Nebenpersonen und reichhaltige Informationen über die damaligen Zustände in Deutschland und Frankreich.
Hier ein kleines Beispiel der erzählerischen Reduktion anhand der Schilderung von Voltaires komplexem Intimleben. Er, der inzwischen neben seiner Liaison mit der verheirateten Émilie du Châtelet zusätzlich ein Verhältnis mit seiner Nichte Louise hatte, lebte schon eine Weile zurückgezogen mit der hochbegabten Émilie auf einem Schloss in Cirey-sur-Blaise:
Voltaire und
Émilie wieder in Cirey.
Im Januar 1749
sagte Émilie zu Voltaire:„Ich bin schwanger. Von Lambert.“
„Hast du es ihm gesagt?“
„Er ist nicht interessiert.“
„Du musst es deinem Mann schreiben.“
„Das habe ich getan.“
„Und?“
„Keine Antwort.“
Sie sagte noch:
„Und du?“
Voltaire sagte:
„Lass uns arbeiten.“
Er schrieb an seiner Histoire de la guerre de 1741, sie arbeitete an der Übersetzung von Newtons Principia Mathematica.
Voltaire fühlte seine Beziehung zu seiner Nichte Louise Denis legitimiert.
Hans-Joachim Schädlich, Sire, ich eile. Voltaire bei Friedrich II,
Reinbek bei Hamburg 2012, 75
Welch ein Büchlein! Näheres
findet sich in der Rezension von Lena Bopp und auf der Website der Bestenliste des SWR.
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