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Sonntag, 12. Februar 2012

Angst und Schrecken der deutschen Wissenschaftssprache


Vor einigen Jahren hat der Siegener Literaturwissenschaftler Lars Koch an der Groninger Universität mit Auszeichnung promoviert. Wir kennen ihn als einen begabten analytischen und reflektierenden Intellektuellen. Bei www.literaturkritik.de ist jetzt sein Artikel „Re-Figurationen der Angst. Typologien des terroristischen Monsters im Gegenwartskino“ erschienen, eine mit Einschränkungen sehr lesenswerte und kluge Analyse des Phänomens Angst und Terror in Filmen der letzten Jahre. Zu seinen Beispielen gehören neben den üblichen Verdächtigen aus den USA auch „71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls“ (1994) von Michael Haneke und „Schläfer“ (2005) von Benjamin Heisenberg.

Inhaltlich komme ich darauf noch in einem anderen Beitrag zurück, zumindest auf die Furchtfilmwelt von Michael Haneke. Hier und jetzt möchte ich Kochs Aufsatz nur als Beispiel der heutigen Wissenschaftssprache und –akrobatik in der Germanistik präsentieren, die für ausländische Germanisten bereits kaum noch genießbar bzw. verständlich ist. Vielleicht leiden die vielen vielen deutschen Germanisten dieser  Generation an einer tiefsitzenden existentiellen Profilierungsangst, die sich in ihren Werken spiegelt. Der Fremdwortgehalt der einzelnen Sätze wird in einen akrobatischen Überbietungswettbewerb getrieben.

Zusätzlich werden in jedem Absatz neben den sachdienlichen Zitaten aus der Sekundärliteratur auch noch die Namen der kulturwissenschaftlichen Supertheoretiker wie Leuchtfeuer in den Argumentationsraum geworfen: Baumann, Foucault, Jonas, Baudrillard, Harraway, Kierkegaard, Benjamin, Bloch, Derrida, Deleuze, Carl Schmitt, Sloterdijk, Agamben, Luhmann. Kaum einer ist für die Darstellung und ihre Begründung wirklich notwendig, vielleicht mit Ausnahme von Carl Schmitt, dem Feindschaftstheoretiker. Der Leser betrachtet atemlos einen intellektuellen Werbetanz, bei dem der Tänzer auch noch als Jongleur auftritt und so viele Fackeln wie möglich in der Luft zu halten sucht.

Wer in Deutschland heute im kulturwissenschaftlichen Bereich Aufmerksamkeit und eine Stelle sucht, muss das wohl so machen.

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