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Sonntag, 16. September 2012

Lily Brett und die displaced persons


Longlists, shortlists, Preise hier, Preise da: Ein Blick zur Seite kann auch nicht schaden, und da fiel mir gestern in der ZEIT eine kleine Verlagsanzeige auf, in der ein neuer Roman von Lily Brett angekündigt wurde. Lily Brett? Es war wohl der Name, der mich ansprach. Ich griff zu meinem “Brett” (so heißt bei uns mein iPad) und begann zu googeln.

Wer ist Lily Brett? Sie wurde als Kind jüdischer Eltern nach dem Krieg in einem Lager für sogenannte displaced persons in Bayern geboren. Die Eltern waren getrennt in Auschwitz gewesen und haben nach der Befreiung des Lagers ein halbes Jahr suchen müssen, bis sie sich in einem Lager wiederfanden, das die Amerikaner für displaced persons eingerichtet hatten. Das waren die Baracken eines ehemaligen Außenlagers des Konzentrationslagers  Dachau im bayerischen Feldafing.  Am 5. September 1946 wurde dort ihre Tochter Lilijahne Breitstein (auch: Luba Brajsztajn) geboren. 

Die Brajsztajns zogen 1948 nach Australien, später nach New York. Der Vater lebt noch, 96jährig. Lilijahne/Luba führt das traumatisch behaftete Leben eines Kindes von Holocaust-Überlebenden. In den achtziger Jahren beginnt sie unter dem Namen Lily Brett Gedichte zu veröffentlichen, Auschwitz-Gedichte, später folgen Romane. Ihr bislang letzter Roman Lola Bensky ist gerade auf Deutsch erschienen: das war die Anzeige.


Es ist eine merkwürdige Koinzidenz, dass ich mich gerade mit dem Phänomen der displaced persons beschäftigt habe. Unter dem Begriff wurden von den Amerikanern die Personen geführt, die ab 1944 auf dem Territorium des Deutschen Reiches und in den von den Nazis besetzten Gebieten durch die Alliierten befreit wurden: KZ-Insassen, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Flüchtlinge, circa 11 Millionen Menschen, die in einer gigantischen logistischen Operation zunächst in Lagern gesammelt und dann entweder in ihre Heimatorte zurückgeführt wurden oder auf eigene Faust loszogen oder eine Chance zur Emigration bekamen. Wohlgemerkt: Dies waren nicht die 15 Millionen deutschen Vertriebenen, die zu gleicher Zeit über ganz Deutschland verteilt wurden. Und auch nicht die Millionen demobilisierter und kriegsgefangener deutscher Soldaten. Und, und und… Unvorstellbare Zustände!

In den Romanen von Lily Brett spielt dieser Hintergrund nur indirekt eine Rolle. Leser berichten bei Amazon über den großen Humor, mit dem sie das Leben jüdischer Familien in New York beschreibt, auch wenn der Holocaust wie ein Spuk und Fluch darüberschwebt. Eine Interviewerin betonte, die reale Luba Brajsztajn habe nichts von dieser Fröhlichkeit an sich.

Noch habe ich nichts von ihr gelesen. Offenbar wäre der Roman  Just Like That (deutsch: Einfach so) von 1994 ein guter Anfang.

1 Kommentar:

  1. "Einfach so" ist ein tolles,kurzweiliges Buch, ironisch, aber auch dadurch tiefsinnig ernst und sehr unterhaltend geschrieben.Man kann es schwer wieder aus der Hand legen! Nur zu empfehlen!

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