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Sonntag, 23. September 2012

Clemens Setz. Indigo (03): Indigo-Kinder – Kotz, kotz

Der Roman wird von den Nachforschungen des Ich-Erzählers zum Phänomen der “Indigo-Kinder” beherrscht. Dabei handelt es sich um Kinder, die bei allen Personen, die sich ihnen nähern, heftige Übelkeit, Schmerzen und Bewusstlosigkeit erzeugen. Dieser unerklärliche Effekt reicht circa zehn Meter weit. Das hat es scheint’s schon immer gegeben, aber zu Anfang des neuen Jahrtausends kam es zu einer signifikanten Zunahme des Phänomens. In Österreich ist daraufhin das Helianau-Internat gegründet worden, in dem diese Kinder unterrichtet und betreut werden. Sie sitzen dort in kleinen Klassen in zehn Meter Abstand voneinander.

Der Ich-Erzähler Christoph Setz unterrichtet für kurze Zeit Mathematik an dieser Schule und wird nach einer Schlägerei mit dem Direktor entlassen. Er will dem Indigo-Phänomen auf die Spur kommen und auch den rätselhaften “Relokationen”, bei denen manche Kinder aus der Schule entfernt werden und verschwinden. Der Roman besteht zum Großteil aus den zahlreichen Gesprächen, die Clemens Setz mit betroffenen Kindern und Fachleuten führt, und aus dem Material, das er dazu in einer Mappe gesammelt hat. Eine weitere Mappe mit Berichten über Robert Tätzel und andere Indigo-Kinder erhält er von einem Oliver Baumherr.
Auch die Passagen, die angeblich im Jahr 2021 spielen, stammen vom Ich-Erzähler des Jahres 2006. Er schreibt sie auf Empfehlung seiner Freundin Julia und erfindet darin die mögliche Zukunft eines der I-Kinder (wie sie im Buch auch heißen), nämlich Robert Tätzels. Diese Information bekommt der Leser erst auf Seite 234, nachdem er sich hinreichend über die Science-Fiction-Elemente hat wundern können. Letztere sind übrigens nur ganz sparsam eingestreut: So gibt es in der Welt von 2021 offenbar in allen Räumen einen sogenannten iBall (der mich sehr an den “telescreen” in Orwells “1984” erinnert), ohne dass wir erfahren, was es damit auf sich hat. Auch ein iSocket wird erwähnt, eine Art intelligenter und sozial kompetenter Cloud. Und Zeitungen heißen zwar so, sind aber nicht aus Papier; es scheint sich um eine Art hyperdünnes iPad zu handeln.

Science Fiction spielt auch in den vielen Gesprächen von Setz eine Rolle: vor allem die frühen Staffeln von Star Trek. Clemens Setz scheint ein richtiger Trekkie zu sein.

Soweit das Buch, von dem ich zu diesem Zeitpunkt zwei Drittel gelesen habe. Noch immer hege ich die Vermutung, dass der geduldige Leser keine befriedigende Aufklärung über das Indigo-Phänomen erhalten wird. Setz geht sogar soweit, in seiner Kurzbiographie vor dem Anfang des Romans zu vermelden, dass er als Mathematiklehrer im Helianau-Internat gearbeitet habe und seit 2008 bei ihm die Spätfolgen der Indigo-Belastung aufträten. Helianau gibt es nicht; Setz vermischt hier ganz bewusst die Ebenen zwischen Fiktion und Wirklichkeit.
Esoterische Vorstellung eines Indigo-Kindes
 
Die Bezeichnung “Indigo” hat er nicht erfunden: Hierbei geht es um eine esoterische Theorie, dass seit einiger Zeit Kinder geboren werden, die quasi eine neue Stufe der Menschheitsgeschichte darstellen. Die sektarischen Vertreter dieser Theorie bestreiten vehement, dass hier eine Verbindung  mit dem ADHS-Syndrom (ndl. ADHD) bestehe, aber der Zusammenhang bietet sich an, und der reale Clemens J. Setz treibt in seinem Roman ein Spiel mit diesen Dingen, ein Spiel, das als eine ganz eigene und eigenartige Theorie der Gegenwart konzipiert zu sein scheint. Es ist auch ein literarisches Spiel, in dem die Werke und Motive von Kafka, Sebald und Robert Walser verwendet werden.

Ich muss noch ein wenig weiterlesen. Aber woran erinnert mich dies alles wohl? Da war doch was!?

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