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Samstag, 21. April 2012

Deutsche Amerikaromane (2): Christa Wolf, Stadt der Engel

Ich habe daraufhin das Buch gelesen. In einer anderen Kritik war mir irgendwo das Wort „ungenießbar“ aufgefallen. Meine eigenen Eindrücke waren anders. Ich bin von der Sprache, der Kraft und der Vielseitigkeit dieses Buches beeindruckt. Es ist sowohl ein Amerikaroman als auch ein Roman des deutschen Nazi-Exils als auch ein DDR-Roman als auch ein Roman der deutschen Vergangenheitsbewältigung. Und natürlich ein autobiographischer Christa-Wolf-Roman. Sie war kurz nach der Wende zu einem Aufenthalt in Los Angeles eingeladen worden. Währenddessen stellte sich heraus, dass in Berlin auch über sie eine IM-Akte vorlag. Der Medien-Hype hierüber brachte sie an den Rand des Selbstmords. Erst zwanzig Jahre später, 2010  – als Achtzigjährige - kann sie diese Dinge aufschreiben. Die Verflechtung der verschiedenen Ebenen gelingt ihr hervorragend: aus der Vielseitigkeit wird eine Einheit. Nix ungenießbar! Allerdings ein Intellektuellenroman für Leute mit Interesse an deutscher Literatur, Exilgeschichte, DDR und „Vergangenheitsbewältigung“.

Natürlich lebte Christa Wolf in jenen Monaten in der gehobenen Atmosphäre eines Zentrums für Wissenschafts- und Kulturstipendiaten im schöneren Teil der Stadt und bekam relativ wenig vom hässlichen und langweiligen Amerika zu sehen. Sie erlebte die kalifornische Natur und Kultur dort, wo sie am schönsten und interessantesten ist. Die Sonnenuntergänge zum Beispiel. Am Ende fuhr sie immerhin noch ins Navajo-Reservat und schaute sich in Los Alamos das neue Museum für die erste Atombombe an, fassungslos über die heroisch-kritiklose Grundhaltung dieser Ausstellung.
Und Walter Benjamins Engel der Geschichte muss in einem Roman mit dem Titel Stadt der Engel natürlich auch eine Rolle spielen. Das schöne alte Gebäude, in dem sie während ihres Aufenthalts wohnte, ist übrigens inzwischen einem Erdbeben zum Opfer gefallen.

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