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Dienstag, 5. März 2013

Wohnen an der Berliner Mauer: Der Leuschnerdamm

Die exotischste Straße, in der ich je gewohnt habe, war der Leuschnerdamm in Berlin-Kreuzberg zur Zeit der Teilung: die Mauer verlief längs in der Straßenmitte und teilte den Leuschnerdamm in eine Hälfte West und eine Hälfte Ost. Da ich im Souterrain wohnte, hatte ich immer nur den Blick auf die Mauer in fünf Meter Entfernung. Was dahinter lag, konnte ich nicht sehen.

Eingang zum Leuschnerdamm

Das kellerartige Souterrain mit Außentoilette im Hinterhof würde heute keiner mehr als Wohnung akzeptieren. Ich teilte die drei Räume, von denen zwei fensterlos waren, mit meinem italienischen Freund Franco G. Franco hatte die Decke des Wohnzimmers mit Aluminiumfolie bekleidet, um für etwas mehr Licht zu sorgen. Er war es auch, der die Mauer an dieser Stelle mit ein paar bunten Blumen bemalt hat. Damit war er 1968 einer der ersten Mauermaler überhaupt. Die vollständige Bedeckung mit Graffiti kam erst später.
Wir heizten fast das ganze Jahr durch mit einem schlecht funktionierenden Ölofen, dessen Ruß mir Asthmaanfälle besorgte. Ich hatte mir in dem Sommer in den Kopf gesetzt, mein Graecum zu machen, um Theologie studieren zu können. Die Kurse waren frühmorgens am anderen Ende von Westberlin. Ein Theologe bin ich dann auch nicht geworden.

An der Ecke Leuschnerdamm/Waldemarstraße befand sich damals das „Litfin“, eine Kneipe, in der es die besten halben Hähnchen von ganz Berlin gab. An dem Mythos muss was dran gewesen sein, denn noch heute gibt es dort unter dem neuen Namen „Henne“ eine Gaststätte, die sich ihrer Hähnchen rühmt und auf ihrer Website stolz von der Geschichte des Hauses berichtet.
Als ich nach dem Mauerfall zurückkam, habe ich die Straße und die ganze Gegend nicht wiedererkannt. Sie liegt heute in einer weitläufigen und abwechslungsreichen Stadtlandschaft, in der das damals zugeschüttete Engelbecken wieder erstanden und  der ganze Bereich zwischen Oranienplatz und  St. Michaelskirche (der ehemalige Luisenstädter Kanal) zu einer Grünanlage geworden ist.

Das Engelbecken


1 Kommentar:

  1. Hallo,

    habe dort auch gewohnt, in der Nr. 21. Allerdings oben unter dem Dach, von wo aus man immer den Grenzstreifen und die Aktivitäten dort, wie einen Film unter sich hatte.

    Es ist heute nicht mehr vorstellbar!

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