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Dienstag, 19. März 2013

Jirgl auf Erden (5): Endlich etwas Konkretes

Nun liegt immerhin eine globale Inhaltsangabe von Rainer Jirgls Roman “Nichts von euch auf Erden” vor und, begleitend dazu, ein Gespräch über das Buch im Deutschlandradio, in dem Helmut Böttiger von seinen Leseerfahrungen berichtet. Böttiger ist sehr beeindruckt und prophezeit Jirgl eine große Zukunft.

Anflug auf den Mars

Endlich etwas Konkretes, aber hilft es wirklich weiter?
Kein Wort bei Helmut Böttiger über die eventuelle Thematik BRD-DDR, auf die ich in meinem Beitrag hingewiesen habe. Liege ich da etwa verkehrt?

Eine der vielen sprachlich großartigen Passagen im Roman ist die Rede, die der neue Machthaber vom Mars im “Haus der Sorge”, dem ehemaligen Reichstagsgebäude, hält. Sie trägt den Titel “WIR SETZEN NEUEN ANFANG” und ist eine rhetorisch glanzvolle Ansprache an die Repräsentanten Zentraleuropas. Der nach Generationen zur Erde zurückgekehrte Marsmensch erläutert ihnen darin knallhart das neue politische  und gesellschaftliche Programm mit den Folgen für jeden einzelnen (vgl. Nichts von euch auf Erden, S. 162-175).
Natürlich spricht hier nicht Gerhard Schröder, an den mich die äußere Beschreibung des Marspräsidenten erinnert hatte, aber es ist der Typus Schröder. Und natürlich geht es hier nicht um die deutsche Vereinigung und die Unterschiede von Ossies und Wessies, sondern es geht um die kolonialistische Überstülpung eines zusammengebrochenen Systems durch ein übermächtiges anderes System, eine Situation, in der die Kolonisierten de facto nichts mehr zu sagen haben. Ort und Art der Rede legen diesen Vergleich nahe.

Schon wer - wie ich - das Buch erst halb gelesen hat, wird bei Böttigers Besprechung sagen: Aber da gibt es doch noch das und das und das und vor allem: eine ganz andere Ebene, denn dies ist ein unglaublich reichhaltiges Buch. Nach meinen ersten Eindrücken ist dies einer der bedeutendsten deutschen Romane der letzten Jahrzehnte.

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