Eine kleine Kostprobe:
“Holtrop könnte jeden […] überzeugen, dass etwas Schöneres
gar nicht vorstellbar wäre, als zwischen sieben und acht Uhr früh über diese Ostautobahn
zu brausen, eng im Pulk mit all den anderen Verrückten, Stoßstange an
Stoßstange hintereinander her, siebenfacher ABS, ixfacher Safeassistent,
Driveself, Airbag allseits, und jeder auf die Art vollgas in seiner eigenen
rasenden Einzelzelle unterwegs und mit anderen Absichten, Hoffnungen,
Urdringlichkeiten befasst und davon gejagt, jeder anders verrückt und alle
zusammen doch auch perfekt koordiniert bei Tempo 180. So fetzte Holtrop also
durch dieses kranke Mitteldeutschland dahin, ostwärts, hoch, tief, runter,
rüber, weiter. Und der ganze Osten schnaubte, schniefte Rotz und Wasser,
brodelte.”
Rainald Goetz, Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft
(2012) 32
Man hört manche Klage, dass dies der beste Roman des letzten
Jahres sei, ein wirklicher Gegenwartsroman, der auch den Deutschen Buchpreis
verdient gehabt hätte, es aber leider nur bis auf die Longlist geschafft hat.Ich selbst predige ja auch seit längerem, dass ich die ewigen DDR-Erinnerungs- und Vergangenheitsbewältigungsromane satt bin, die seit Jahren die Buchpreise abräumen. Nach meiner Lektüre von “Johann Holtrop” kann ich nur zustimmen, dass dieser Roman preiswürdig ist, und das obwohl ich das Buch nicht mag. Ich stimme Volker Weidermann zu: Es ist so kalt.
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