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Freitag, 1. März 2013

Rainald Goetz, Johann Holtrop oder Der Kältetod des Romans

Rainald Goetz: Das ist, als ob Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek einen ungewollten und ungeliebten Sohn gehabt hätten, der  in seiner Verzweiflung , in seinem unbändigen Willen, es beiden, Papa und Mama, recht zu machen, ihnen ebenbürtig, ja ihnen überlegen zu sein, den großen Roman seiner Zeit schreiben wollte und diesen mit “Johann Holtrop” (2012) nun auch vorgelegt hat, eine eiskalte Erzählung vom Kapitalismus der Nuller Jahre, in der die Wut des Autors immer wieder zwischen den Zeilen hervorquillt; der passende Gegenwartsroman zu Schirrmachers “Ego"-Buch.

Eine kleine Kostprobe:
“Holtrop könnte jeden […] überzeugen, dass etwas Schöneres gar nicht vorstellbar wäre, als zwischen sieben und acht Uhr früh über diese Ostautobahn zu brausen, eng im Pulk mit all den anderen Verrückten, Stoßstange an Stoßstange hintereinander her, siebenfacher ABS, ixfacher Safeassistent, Driveself, Airbag allseits, und jeder auf die Art vollgas in seiner eigenen rasenden Einzelzelle unterwegs und mit anderen Absichten, Hoffnungen, Urdringlichkeiten befasst und davon gejagt, jeder anders verrückt und alle zusammen doch auch perfekt koordiniert bei Tempo 180. So fetzte Holtrop also durch dieses kranke Mitteldeutschland dahin, ostwärts, hoch, tief, runter, rüber, weiter. Und der ganze Osten schnaubte, schniefte Rotz und Wasser, brodelte.”

Rainald Goetz, Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft (2012) 32
Man hört manche Klage, dass dies der beste Roman des letzten Jahres sei, ein wirklicher Gegenwartsroman, der auch den Deutschen Buchpreis verdient gehabt hätte, es aber leider nur bis auf die Longlist geschafft hat.

Ich selbst predige ja auch seit längerem, dass ich die ewigen DDR-Erinnerungs- und Vergangenheitsbewältigungsromane satt bin, die seit Jahren die Buchpreise abräumen. Nach meiner Lektüre von “Johann Holtrop” kann ich nur zustimmen, dass dieser Roman preiswürdig ist, und das obwohl ich das Buch nicht mag. Ich stimme Volker Weidermann zu: Es ist so kalt.

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