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Samstag, 13. Juli 2013

Mitleid mit Polyphemos (I): "Acis und Galatea" von Georg Friedrich Händel


Das Schäferspiel Acis und Galatea (1718/1743), habe ich in den siebziger Jahren in einer szenischen Aufführung an der Berliner Musikhochschule kennengelernt. Meine Schwester hat damals dort Gesang studiert und als Sopran daran mitgewirkt. Das ist ein eigenes und eigenartiges Kapitel in meiner Musikerfahrung: Ich hatte aus völlig irrationalen Gründen immer Angst bei ihren Konzertauftritten, es könne etwas schiefgehen. Aber in diesem Fall waren eventuelle Beklemmungen schnell verflogen, denn es ist eine schnelle, fröhliche und mitreißende Musik, die jeden Zuhörer verzaubert. Ich habe sie seitdem immer wieder gehört:



Acis und Galatea ist noch keine Oper im modernen Sinn wie sie sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt, sondern mehr ein szenisches Maskenspiel mit Tanzeinlagen, für die oft professionelle Balletttänzer eingesetzt werden. Obwohl es eigentlich eine tragische Liebesgeschichte zwischen dem Schäfer Acis und der Nymphe Galatea ist, vermittelt die Musik unter anderem mit allerlei lustigen Elementen bei den Nebenfiguren Polyphemos und Damon eine beschwingte, lebensbejahende Positivität. Sie stammt aus Händels englischer Zeit und das Libretto ist deshalb wie auch im berühmten Oratorium Messiah im Original Englisch (Text: John Gay).
Erst spät in den neunziger Jahren habe ich entdeckt, dass es noch einen Vorläufer dieser Musik in Händels Werk gibt: er hat bereits in seiner italienischen Zeit eine Aci, Galatea e Polifemo (1708) komponiert. Irgendwann hörte ich im Radio eine Bass-Arie, die mich förmlich elektrisierte: Noch nie hatte ich einen derart tiefen, schwarzen Bass gehört und noch nie diese ungeheuer schwer zu singende, fast drei Oktaven umfassende Arie Fra l'ombre e gl'orrori. Übers Internet hatte ich dann schnell raus, was es war und fand dort die Aufführung mit dem großartigen französischen Sänger Laurent Naouri.


Polyphemos
Der einäugige Riese Polyphemos ist auch in Galatea verliebt. Er weiß von der Hoffnungslosigkeit seiner Liebe und ist trotz seiner plump-aggressiven Art zu rührenden Gefühlen fähig:
Fra l’ombre e gl’orrori/farfalla confusa/già spenta la face/non sa mai goder.
Umgeben von Schatten und Schrecken/wird der verstörte Nachtfalter/nachdem die Fackel erloschen ist/nie wieder Freude fühlen.
Così fra timori/quest’alma delusa/non trova mai pace/né spera piacer.
So wird auch diese verzweifelte Seele/in Ängsten gefangen/und nie wieder Frieden finden/noch auf Freude hoffen.



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