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Samstag, 6. Juli 2013

Kaisereiche

Kaisereiche: Das war für mich in meiner Studentenzeit in Berlin nur eine Haltestelle vom 48er Bus, der eine elend lange Straße entlangfuhr. Da stieg man nicht aus, da gab es nichts, was mir etwas bedeuten konnte.


Die Kaisereiche in Berlin - Friedenau

Die Kaisereiche steht mitten in Friedenau, an einer der belebtesten und längsten Straßen Berlins. Sie ist dort ursprünglich 1879 zur Goldenen Hochzeit des Kaisers gepflanzt worden. Vier Jahre später wurde der Baum anlässlich der Sozialistengesetze von wütenden Arbeitern so stark beschädigt, dass er ersetzt werden musste. Ja, ja, die deutschen Sozialisten: Hätten sie doch das Kaisertum ausgerupft, anstelle des unschuldigen Bäumchens.

Die Kaisereiche hat zwei Weltkriege überstanden und ist jetzt 130 Jahre alt. Sie steht an der Verbindungsstraße des Berliner Stadtschlosses mit der Potsdamer Sommerresidenz, die zwei Jahrhunderte lang vom preußischen Adel frequentiert wurde, immer hin und her. Diese Straße zieht sich noch heute kilometerlang schnurgerade durch Berlin und trägt viele Namen: Hauptstraße, Unter den Eichen, Potsdamer Chaussee. An der Kaisereiche heißt sie merkwürdigerweise Rheinstraße. So wurde sie 1875 wegen der Verbindung von Berlin mit dem Rhein benannt. Es sind Teilstücke der alten Reichsstraße 1, die in einer Gesamtlänge von 1400 Kilometern Ostpreußen mit dem Rhein und darüber hinaus mit den Niederlanden verbunden hat; später – und erheblich kürzer -  hieß sie Bundesstraße 1.
Die Reichsstrasse 1
In der Rheinstraße an der Kaisereiche zu wohnen, ist für einen deutsch-niederländischen Historiker von großer Symbolik. Man könnte meinen, ich hätte mir diesen Ort für meinen Pendelverkehr von Groningen nach Berlin und für meine Erkundungen Richtung Küstrin und Ostpreußen speziell ausgesucht. Ist aber alles Zufall, und ich habe auch nicht die Absicht, den schönen Baum mit einem Beil zu malträtieren. Ich wähle nicht mehr SPD.
Nach 1871 wurde das Zentrum von Berlin schnell zu teuer für die mittleren Bürgerschichten und man schuf in Friedenau einen Bezirk mit hoher Wohnqualität und Raum für Landhäuser und Villen der nicht ganz so Reichen und der Künstlerboheme. Heute und für mich gibt es eine vergleichbare Situation: Berlin-Mitte und Charlottenburg sind unerschwinglich geworden, Friedenau bietet sich als Lösung an. Außerdem rennen hier garantiert keine Touristen rum, es sei denn, irgend jemand will die Kaisereiche sehen. Und, na ja, Friedenau gehört zu Schöneberg, da steht auch das Rathaus Schöneberg, wo John F. Kennedy ”Iesch binn ain Bearlienear” gesagt hat. Genau da musste ich mich anmelden als Neubürger von Berlin: “Ick benn enn Berlijnerr” habe ich gerufen auf dem großen menschenleeren Platz. Wahrscheinlich hat mich wieder mal kein Schwein gehört!

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