Ich habe
immer angenommen, die größten Demonstrationen der deutschen Geschichte seien
die in Westberlin 1982 (Reaganbesuch/Nato-Doppelbeschluss) und 2003 (Irakkrieg)
mit jeweils etwa 500.000 Teilnehmern gewesen. Es scheint noch eine größere
gegeben zu haben, nämlich das Deutschlandtreffen der Jugend 1950. Es ist von der gerade gegründeten DDR sehr aufwendig als erste große
Selbstdarstellung inszeniert worden. An der Abschlußdemonstration in Ostberlin
haben (nach Angaben der Organisatoren) 700.000 Jugendliche aus 21 Nationen
teilgenommen. Westdeutschen Jugendlichen war (von den westdeutschen Behörden) die Teilnahme verboten; sie mussten heimlich die Grenze zur DDR überschreiten.
Diese Veranstaltung war auch der Anlass für einen für die damaligen Verhältnisse ebenso aufwendigen Dokumentarfilm
von 62 Minuten Länge und erstmals in Farbe. Titel: Immer bereit, Regisseur: Kurt Maetzig. Maetzig war
einer der wichtigsten Regisseure der DDR. Er ist am 8. August 2012 im Alter von
101 Jahren gestorben. Hier ist der Artikel, den der Berliner Tagesspiegel ihm zu seinem 100. Geburtstag gewidmet hat.
Wir kommen im Cinéma Café
Deutschland noch auf ihn zurück. Er hat es verdient.
Für westliche und heutige Augen mag
das Folgende ein wenig schwer zu konsumieren sein. Ich möchte beim Betrachten
des Films deshalb zu einem ethnologischen Blick auffordern. Wir bekommen
diesbezüglich allerlei zu sehen, was Berlin betrifft und auch was die von mir schon angesprochenen
choreographischen Mittel betrifft. Und auch filmtechnisch hat Maetzig einiges
zu bieten, wenn man bedenkt, wie schwer es ist, eine an sich völlig langweilige
Veranstaltung zu filmen.
Wir sind (im Westen) derart vom finalistischen
Blick auf die DDR geprägt, dass der sehr wohl vorhandene Idealismus der frühen
Jahre, mit der DDR einen ganz anderen deutschen Staat aufzubauen, nur allzuoft
mit Wessi-Siegergebärde weggewischt wird. Natürlich ist dies der erste große
Propagandafilm und natürlich werden viele, allzu viele von den tausenden hier
zu sehenden Jugendlichen schon ganz bald bitter von den politischen und
sozialen Realitäten enttäuscht werden, aber so viel Anfang war nie. Oder bin
ich jetzt ein Propagandaopfer geworden?
Hier ist jedenfalls der ganze Film. Nehmt euch die Zeit und guckt ihn euch ganz an.
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