Cookie

Mittwoch, 9. Januar 2013

Cinéma Café Deutschland: Kurt Maetzig, Immer bereit oder Die DDR-Kinder von 1950

Zu meinen vielen nicht verwirklichten Projekten gehört auch eine Geschichte der Demonstrationen. Mich interessiert daran besonders die Entwicklung der Form, der Choreographie, der Inszenierung mit allen möglichen Hilfsmitteln. Ich habe dazu nie eine umfassende Darstellung in Buch- oder Filmform gefunden (und wäre für entsprechende Hinweise dankbar.)

Ich habe immer angenommen, die größten Demonstrationen der deutschen Geschichte seien die in Westberlin 1982 (Reaganbesuch/Nato-Doppelbeschluss) und 2003 (Irakkrieg) mit jeweils etwa 500.000 Teilnehmern gewesen. Es scheint noch eine größere gegeben zu haben, nämlich das Deutschlandtreffen der Jugend 1950. Es ist von der gerade gegründeten DDR sehr aufwendig als erste große Selbstdarstellung inszeniert worden. An der Abschlußdemonstration in Ostberlin haben (nach Angaben der Organisatoren) 700.000 Jugendliche aus 21 Nationen teilgenommen. Westdeutschen Jugendlichen war (von den westdeutschen Behörden) die Teilnahme verboten; sie mussten heimlich die Grenze zur DDR überschreiten.
Diese Veranstaltung war auch der Anlass für einen für die damaligen Verhältnisse ebenso aufwendigen Dokumentarfilm von 62 Minuten Länge und erstmals in Farbe. Titel: Immer bereit, Regisseur: Kurt Maetzig. Maetzig war einer der wichtigsten Regisseure der DDR. Er ist am 8. August 2012 im Alter von 101 Jahren gestorben. Hier ist der Artikel, den der Berliner Tagesspiegel ihm zu seinem 100. Geburtstag gewidmet hat.
Wir kommen im Cinéma Café Deutschland noch auf ihn zurück. Er hat es verdient.

Für westliche und heutige Augen mag das Folgende ein wenig schwer zu konsumieren sein. Ich möchte beim Betrachten des Films deshalb zu einem ethnologischen Blick auffordern. Wir bekommen diesbezüglich allerlei zu sehen, was Berlin betrifft und auch was die von mir schon angesprochenen choreographischen Mittel betrifft. Und auch filmtechnisch hat Maetzig einiges zu bieten, wenn man bedenkt, wie schwer es ist, eine an sich völlig langweilige Veranstaltung zu filmen.

Wir sind (im Westen) derart vom finalistischen Blick auf die DDR geprägt, dass der sehr wohl vorhandene Idealismus der frühen Jahre, mit der DDR einen ganz anderen deutschen Staat aufzubauen, nur allzuoft mit Wessi-Siegergebärde weggewischt wird. Natürlich ist dies der erste große Propagandafilm und natürlich werden viele, allzu viele von den tausenden hier zu sehenden Jugendlichen schon ganz bald bitter von den politischen und sozialen Realitäten enttäuscht werden, aber so viel Anfang war nie. Oder bin ich jetzt ein Propagandaopfer geworden?

Hier ist jedenfalls der ganze Film. Nehmt euch die Zeit und guckt ihn euch ganz an.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen