Unter dem Label „Jukebox“ können die Gäste von Café Deutschland
potentiell Artikel über alles unterbringen, was mit der Musikszene in den
deutschsprachigen Ländern zu tun hat, also die ganze Palette vom Minnesang über
die klassische Musik bis zu HipHop und Techno.
Natürlich war die klassische Jukebox, die man nur noch
als antike Sammlerstücke zu sehen und zu hören bekommt, viel beschränkter in
der Auswahl, aber für die Jugend in der Mitte des 20. Jahrhunderts war sie ein
aufregendes Erlebnis. Der österreichische Schriftsteller Peter Handke hat ihr ein
wunderschönes kleines Buch gewidmet.
Sein Versuch über
die Jukebox (1990) ist auch für Leute, die bei Erwähnung des Namens Handke
schmerzlich aufstöhnen, ein sehr lesbares, ein sehr konkretes, ein sehr
anrührendes Buch, jedenfalls, wenn sie der Generation angehören, deren erste
Musikerlebnisse mit dieser erstaunlichen Maschine verbunden waren. Hier ist
eine Kostprobe:
„Die Box spielte, aber er wartete wie immer
auf die von ihm selbst gedrückten Nummern; dann erst war es richtig. Auf
einmal, nach der Plattenwechselpause, die, mitsamt ihren Geräuschen – dem
Klicken, dem Suchsurren, hinwärts und herwärts durch den Gerätebauch, dem
Schnappen, dem Einrasten, dem Knistern vor dem ersten Takt -, gleichsam zum
Wesen der Jukebox gehörte, scholl von dort aus der Tiefe eine Musik, bei der er
zum ersten Mal im Leben, und später nur noch in den Augenblicken der Liebe, das
erfuhr, was in der Fachsprache ‚Levitation' heißt, und das er selber mehr als
ein Vierteljahrhundert später wie nennen sollte: ‚Auffahrt'? ‚Entgrenzung'?
‚Weltwerdung'? Oder so: ‚Das – dieses Lied, dieser Klang – bin jetzt ich; mit
diesen Stimmen, diesen Harmonien bin ich, wie noch nie im Leben, der geworden,
der ich bin; wie dieser Gesang ist, so bin ich, ganz!‘? Ohne zunächst wissen zu
wollen, wer die Gruppe war, deren Stimmen, getragen von den Gitarren,
gleichermaßen einzeln, durcheinander und endlich unisono erbrausten – er hatte
in den Jukeboxen bisher die Allein-Sänger bevorzugt – staunte er einfach. Als
er dann aber bei seinem selten gewordenen Radiohören einmal erfuhr, wie der
Chor der frechen Engelszungen hieß, die mit ihrem mir nichts, dir nichts hinausgeschmetterten
‚I want to hold your hand', ‚Love me do', ‚Roll over Beethoven' alles Gewicht
der Welt von ihm nahmen, wurden das die ersten sozusagen ‚unernsten' Platten,
die er sich kaufte (er kaufte in der Folge fast nur noch solche). Und heute
noch dachte er, das Anfänger-Schallen der Beatles im Ohr, aus jener von
Parkbäumen umstandenen Wurlitzer: Wann würde je wieder solch eine Anmut in die
Welt treten?“
Peter Handke, Versuch über die Jukebox, Frankfurt am Main 1990, 87-89
Das ist wirklich sehr schön. Im Web habe ich
noch eine Spätrezension entdeckt, in der dieselbe Stelle zitiert wird.
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