Die deutsche Hochgermanistik hat sich immer auf vornehme Distanz zum „Volksschriftsteller“ Wilhelm Busch gehalten. Gute Analysen seiner Werke gibt es kaum, Biografien stammen eher nur von Journalisten. Die DDR-Germanistik hat ihm, obwohl Busch nun wirklich kein früher Sozialist war, in ihrer verdienstreichen „Geschichte der deutschen Literatur“ (8. Band, Zweiter Halbband, Berlin 1975), eine Reihe klug formulierter Seiten gewidmet, die ein Gespür für die Gesellschaftsgebundenheit Buschs zeigen.
In der 68er-Generation nahm auch die BRD-Germanistik die Spur auf: Gert Ueding mit seinen zwei Bänden „Wilhelm Busch. Das 19. Jahrhundert en miniature“, Frankfurt am Main 1977 und „Buschs geheimes Lustrevier. Affektbilder und Seelengeschichten des deutschen Bürgertums im 19. Jahrhundert, Berlin/Wien 1982. Seine Betrachtungen sind allerdings so breit und allgemein, dass vom Spezifischen an Wilhelm Busch nicht viel übrig bleibt.
In dem von Michael Vogt herausgegebenen Band „Die boshafte Heiterkeit des Wilhelm Busch“ (Bielefeld 1988; der Titel zeugt schlichtweg von Hilflosigkeit) sind sieben Beiträge versammelt, die auf die „Brüche, Verwerfungen und Abgründigkeiten eines nachhaltig deformierten kollektiven Affekthaushalts“ (Klappentext) verweisen sollen. Worauf dies hinauslaufen sollte, hat Volker Klotz zu einem damals gängigen Interpretationsschema konstruiert:
„Was Busch so inständig ins Bild setzt, ist Ausdruck eines fortdauernden, bis zum heutigen Tag noch unverheilten kollektiven Traumas. Es ist das Trauma der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848. (…) unverkennbar sind es die leitenden Grundsätze der bürgerlichen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - , die Busch in seinen Bildergeschichten fratzenhaft heraufbeschwört. (…)
Das Bürgertum in Deutschland hat (…) durch fortschreitende Kapitalisierung und Industrialisierung bewirkt, daß eine andersartige, ungewollte Gleichheit hereinbrach.. Die relative Gleichheit der Meisten im Zustand entfremdeter Arbeit und entfremdeter Natur. Buschs Helden spielen vor, wie das ist: wenn unterschiedslos der eine wie der andere mechanisch um sich schlägt in der immergleichen Objektrolle gegenüber anonymen Gewalten, die sie nicht kontrollieren können. Beim Aufstand der toten Gegenstände gegen die Menschen, die doch einmal diese Gegenstände zum eigenen Besten hervorgebracht haben. Aber auch beim Aufstand ihrer eigenen Triebe – des Hungers und des Dursts, der Sexualität und der schieren Narretei (…).“
Volker Klotz macht hier Gebrauch von einem in der 68er Generation beliebten simplifizierenden Argumentationsmuster: Die Generation der Kinder der Täter litt nämlich selber an einem Trauma, dem Trauma der Unerklärbarkeit des Holocaust, dem Trauma der deutschen Schuld. Das Fehlen einer bürgerlichen Revolution wurde gerne als Erklärung für das Aufkommen des Nationalsozialismus angeführt.
Klotz berichtet, dass er hiermit bei seinen Vorträgen im Ausland mehr Zustimmung erfahren hat, als in der Bundesrepublik.
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