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Mittwoch, 22. Oktober 2014

Paul van Ostaijen „Melopee“, niederländisch und deutsch


Jemand fragte, wo der komplette deutsche Text des niederländischen Gedichtes veröffentlicht ist, das in Lutz Seilers Roman „Kruso“ (S. 95-97) eine wichtige Rolle spielt.


Es handelt sich um das Gedicht „Melopee“ des flämischen Dichters Paul van Ostaijen (1896-1928).


Die deutsche Übersetzung von Klaus Reichert, die Seiler zitiert, erschien wahrscheinlich zum ersten Mal in dem von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Bändchen mit Gedichten Van Ostaijens unter dem Titel „Poesie“ (Suhrkamp, Frankfurt am Main 1966). Außerdem dürfte es auch in einer DDR-Ausgabe vertreten sein: Gerrit Achterberg und Paul van Ostaijen, „Gedichte aus Belgien und den Niederlanden“ (Volk und Welt, Berlin 1977). Beide Bände sind schon lange aus dem Handel; sie werden auch antiquarisch nicht oft angeboten.


Über die Aufnahme des Gedichts in deutsche Anthologien und über eventuelle weitere Übersetzungen ist mir nichts bekannt.

Bild: Joke Struik
Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich den deutschen Text hier auch nicht abdrucken. (Im Roman von Seiler fehlen übrigens nur die ersten drei Zeilen.) Aber zum einen ist der niederländische Text durchaus zugänglich (vorlesen lassen) und – wie meistens – auch schöner als die Übersetzung, zum anderen kann ich hier meine eigene Variante anbieten. Ich halte sie nicht für besser als die von Reichert. Meine andere Wortwahl an einigen Stellen zeigt im Vergleich die Probleme, die der Übersetzer auch mit einem scheinbar so einfachen Text hat.


Paul van Ostaijen, Melopee (1928)
Onder de maan schuift de lange rivier
Over de lange rivier schuift moede de maan
Onder de maan op de lange rivier schuift de kano naar zee

Langs het hoogriet
langs de laagwei
schuift de kano naar zee
schuift met de schuivende maan de kano naar zee
Zo zijn ze gezellen naar zee de kano de maan en de man
Waarom schuiven de maan en de man getweeën gedwee naar de zee

Rezitativ
Unter dem Mond zieht der lange Fluss
Über dem langen Fluss zieht müde der Mond
Unter dem Mond auf dem langen Fluss zieht das Kanu zur See

Vorbei am hohen Schilf
Vorbei am flachen Gras
Zieht das Kanu zur See
Zieht mit dem ziehenden Mond das Kanu zur See
So sind sie Gesellen zur See das Kanu der Mond und der Mann
Warum ziehen der Mond und der Mann so zweisam so fügsam zur See?

(Übersetzung: P. Groenewold)

3 Kommentare:

  1. Bitte sagen sie mir, wie sie den begriff zu übersetzen " Lassen Sie mir Sie als Fremdenfuehrer betreuen". Versucht, zu übersetzen mit http://deutsch.opentran.net/niederlandische aber nicht sicher, das ist richtig.

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  2. Hallo Herr Groenwold,

    gerade hab ich Kruso noch einmal gelesen und die Gedichtzeile "Warum ziehen der mond und der mann zu zweit so bereit nach dem meer" (so taucht sie bei Lutz Seiler immer wieder auf) ging mir nicht aus dem Kopf. Und was macht man da? Man vertraut sich einer Suchmaschine an. So fand ich das gedicht (und eine Übersetzung) in der Niederländischen Literaturgeschichte von Ralf Grüttemeier/Maria Theresia Leuker (2006) und ich fand dankenswerterweise auch Ihren Beitrag. Was mich aber nun bekümmert ist, dass in Kruso keinerlei Verweis auf Paul van Ostaijen erfolgt ist (ich hab das Buch gedreht und gewendet und nichts gefunden). Finden Sie das (bei aller Begeisterung für das Buch und auch für Stern 111, den ich gleich zweimal hintereinander lesen musste) nicht auch ein wenig, sagen wir mal, unredlich? Dennoch bon ich froh, dass ich auf Paul van Ostaijen gestoßen bin, ich kannte ihn zuvor nicht und mag seine Gedichte sehr. herzliche Grüße, Undine Materni

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