Ich hatte noch nie von diesem Buch gehört, bis ich dem Titel
im letzten “Spiegel” begegnete, wiederum im Zusammenhang mit der
Griechenland-Krise. Da habe ich mich auf die Suche gemacht. Erst der Untertitel
zeigt, worum es geht: “A study of the influence exercised by Greek art and
poetry over the great German writers of the eighteenth, nineteenth and
twentieth centuries”.
Die englische Germanistin Eliza Butler (1885-1959) war ihr
Leben lang von einer Hassliebe zu Deutschland und den Deutschen bestimmt. Ihr
germanophiler irischer Vater hatte seine drei Töchter gegen den Willen der
Mutter auf ein Internat nach Hannover geschickt. Das führte bei Eliza schon als
Kind zu einer Grundhaltung von Hass und Ekel in Bezug auf ihre deutschen
Mitschülerinnen. Da sie nun aber schon einmal gut Deutsch konnte, wurde sie
Deutschlehrerin und Germanistin mit längeren Aufenthalten in verschiedenen
deutschen Städten und schließlich Professorin in Manchester und Cambridge.
Nach der Machtergreifung Hitlers schrieb sie das oben
genannte Werk, in dem sie die Theorie einer Selbstversklavung der Deutschen
unter den griechischen Geist entwickelte. So hätten die Deutschen schon im 18.
Jahrhundert die radikale Unterordnung unter eine Idee entwickelt, die im 20.
Jahrhundert so schreckliche Folgen zeitigte. Auch bei der Autorin ist der Titel des Buches also
uneigentlich gemeint. Das Buch scheint absolut nicht dumm und obskur zu sein,
wenn auch methodologisch fragwürdig. Die Nazis haben 1935 verhindert, dass es
auf Deutsch erscheinen konnte. Bei einem Besuch Deutschlands 1948 fand Butler
in den zerstörten Städten “a kind of beauty, as if Berlin had found her soul in
the surrounding chaos”(Paper Boats, 189). Butler beschreibt ihre Geschichte in
ihrer Autobiographie “Paper Boats” (1959). Einen kurzen Überblick über Butlers
Leben und Denken gibt Sandra Peacock in ihrem Artikel “Struggling with the daimon: Eliza M. Butler on Germany and Germans” (2005).
Erst nach dem Krieg erschien 1948 eine gekürzte deutsche Ausgabe
unter dem verfälschenden Titel “Deutsche im Banne Griechenlands”, die kaum
Aufmerksamkeit gefunden hat. Weitere deutsche Ausgaben und eine Rezeptionsgeschichte
durch die deutsche Germanistik scheint es nicht gegeben zu haben. Das finde ich
verwunderlich, da Butler sich völlig auf die großen deutschen Dichter und
Denker Winckelmann, Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Hölderlin und Heine
konzentriert und ihre Botschaft über die sklavische Eigenart aller Deutschen nur indirekt vermittelt,
was auch für das englische Publikum nicht so einfach herauszulesen gewesen sein
mag.In der angelsächsischen Welt dagegen hat es immer wieder Neuausgaben des Buches gegeben, zuletzt 2006 und 2012, und mit der amerikanischen Historikerin Suzanne Marchand (“Down from Olympus”, 1996) auch eine methodologische Fortentwicklung des Ansatzes von Eliza Butler. So ist das Werk eine bedeutende Quelle des angelsächsischens Denkens über Germany und Germanness geworden, die man kritisieren, aber nicht ignorieren sollte.
Das Buch wird auch in der aktuellen Situation der
griechisch-europäischen Schuldenkrise in England (wieder) ernst genommen. So
attestiert eine Rezension im London Review of Books zum einen den heutigen Deutschen, nichts mehr mit der alten
Unterwerfung unter ein Ideal zu tun haben zu wollen und stellt zum anderen eine
Verbindung zum positiven Umgang mit Griechenland und Greekness in der jetzigen
Krise her.
Ich persönlich bin immer noch perplex, dass mir dieses Buch
in all den Jahren meiner Beschäftigung mit Germanness
in den Augen anderer noch nie begegnet ist, und eben auch nie in einem
germanistischen Zusammenhang. Aber deutsche Germanisten lesen wohl auch heute
noch nur deutsche Untersuchungen über
deutsche Dichter und Denker.Wir - ein deutsches und europäisches Wir - sollten aber wissen, auf welcher Grundlage englische und amerikanische Intellektuelle ihr heutiges Bild über Deutschland und die Deutschen entwickeln. Und uns dazu äußern.
Ich war '66-'68 im Rheinland-Pfalz als durchschnittlicher amerikanischer Soldat stationiert, als ich zum ersten Mal Frau Butlers Buch erwähnen hörte. Ein damaliger Kamerad hatte mir auf das Buch und dessen Gedankenfäden aufmerksam gemacht.
AntwortenLöschenSpäter, nachdem ich zurück zu einer ebenso durchschnittlichen amerkianischen katholischen Uni zurückkehrte und mein von den Dienstjahren unterbrochenes Studium wiederaufnahm, begegnete ich jenen Gedankenfäden zum ersten Mal formal in einer Klasse über die Deutsche Literatur der Aufklärung, wo man es als Selbstverständlichkeit annahm, daß die großen deutschen Schriftsteller, Dichter, Essayisten und dergleichen sich den griechisch Schreibenden des Altertums verpflichtet sahen.
Man kann nicht vorankommen, ohne das Rückwärtige sehr genau unter die Lupe zu nehmen, schiene es ihnen vermutlich, oder?
Wenn man auf immer sich damit beschäftigt, irgendeine Vergangenheit zu bewältigen, hat man keine Zeit mehr für die Zukunft. Die Zukunft darf ja auch eine Zeit sein, verglichen mit...was?
Man erinnere sich ab und zu an einen Zitat aus dem Filme "My Big Fat Greek Wedding", der von einem älteren Amerikanern griechischen Herkunfts zu einem eben so alten Staatsbürger britischen Herkunfts gesagt wurde: "Zu jener Zeit, als Ihre Vorfahrer noch in Bäumen von deren Âsten hingen, schrieben die Meinen Philosphie." Aber jetzt? Wer sind die großen aktuellen Griechen, die gern und gut philosphieren?
Falsche Frage,hast du gesucht griechische Philosophen von heute finden und nicht gefunden?ich gebe dir einen nextes Mal wenn du ihn erst Mal verstehst gebe ich dir noch eine https://de.m.wikipedia.org/wiki/Cornelius_Castoriadis
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