Karmelklooster 2014, The boy group, Foto: dorofoto |
Drei Irre gingen in
den Garten
und wollten auf die
Antwort warten.
Der erste Irre
sprach:
»O Freud!Hat dich noch niemals nicht gereut,
dass du Schüler hast? Und was für welche –?
Sie gehen an keinem vorüber, die Kelche.
Ich kenne ja wirklich allerhand
als Mitglied vom Deutschen Reichsirrenverband –
aber die alten Doktoren sind mir beinah lieber
als das Getue dieser
Ja.«
Der zweite Irre sprach:
»Schmecks.Ich habe hinten einen Komplex.
Den hab ich nicht richtig abreagiert,
jetzt ist mir die Unterhose fixiert.
Und ich verspüre mit großer Beklemmung
rechts eine Hemmung und links eine Hemmung.
Vorn hängt meine ältere Schwester
und in der Mitte bin ich ziemlich gesund.
Ja.«
Der dritte Irre
sprach:
»Wennheut einer mal muß, dann sagt ers nicht, denn
er umwickelt sich mit düstern Neurosen,
mit Analfunktionen und Stumpfdiagnosen –«
(»Ha! – Stumpf!« riefen die beiden andern Irren,
konnten den dritten aber nicht verwirren.
Der fuhr fort:)
»Vorlust, Nachlust und nächtliches Zaudern –
es macht so viel Spaß, darüber zu plaudern!
Die Fachdebatte – welch ein Genuß! –
ist beinah so schön wie ein
Ja.«
Die drei Irren
sangen nun im Verein:
»Wir wollen keine
Freudisten sein!Die jungen Leute, die davon kohlen,
denen sollte man kräftig das Fell versohlen.
Erreichen sie jemals das Genie?
O na nie –!
Jeder Jüngling von
etwas guten Manieren
geht heute mal
Muttern deflorieren.Jede Frau, die in die Epoche paßt,
hat schon mal ihren Vater gehaßt.
Und die ganze Geschichte stammt aus Wien,
und darum ist sie besonders schien –!
Wir drei Irre
sehen, wie Liebespaare
sich gegenseitig
die schönsten Haarespalten – und rufen jetzt rund und nett:
Rein ins Bett oder raus aus dem Bett!
Keine Tischkante
ohne Symbol und kein Loch ...
Wie lange noch –?
Wie lange noch –?«
Drei Irre standen
in dem Garten
und täten auf die
Antwort warten.
Theobald Tiger (Kurt Tucholsky)
Die Weltbühne,
08.12.1925, Nr. 49, S. 872,
P.S. Mit Dank an Doro für ihr Dorofoto.
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