Ich habe mich bei den Wahlerfolgen der Piraten in Berlin und im Saarland in meinem Blog mit einem gewissen Jubel und dem großen “Hook”-Arm geäußert. Ich kann mir tatsächlich vorstellen, bei der nächsten Bundestagswahl die Piraten zu wählen.
Dafür erwarte ich
allerdings von dieser Partei, die ihren Erfolg selber nicht ganz zu verstehen
scheint, ein wenig mehr Nachdenken über ihr Funktionieren im System der repräsentativen
Demokratie. Die totale „Liquid Democracy“ wird keine Lösung sein. Auch die
Piraten brauchen karrieresichere Berufspolitiker, die nicht im nächsten Moment
von einem Shitstorm an die Seite gefegt werden oder psychisch unter der Last
der ständigen Öffentlichkeit und Kritik zusammenbrechen.
Zuletzt war die
Landesvorsitzende Jasmin Maurer im Saarland ein Opfer ihrer selbst und ihres
Internetverhaltens: sie erlitt am Wahltag einen Kreislaufkollaps. Später wurden
allerlei halbintime Dinge über sie bekannt und herumgereicht, die sie ihrer
eigenen Netzoffenheit zu verdanken hat. In den letzten Tagen hatte ich mich
gewundert, warum auf einmal mein Blogbeitrag mit ihrem Foto mehr als hundert Mal
in Deutschland angeklickt wurde. Das war also der Grund. So konnte ich auch
meine Blogleserstatistik auf über 500 Klicks in der Woche anheben! Mooi
meegenomen.
Was ich damit
sagen will: auch Piraten brauchen ein Privatleben und die Möglichkeit, eine
kompetente und über Jahre hin entwickelte Politik zu machen. Das imperative Mandat, bei dem der Mandatsträger verpflichtet ist, in allen Entscheidungen den
Willen seiner Wähler zu vertreten, ist uns aus den Zeiten der Räterepublik
bekannt und wurde auch vom linken Flügel der Studentenbewegung 1968 propagiert.
Die moderne Kommunikationstechnologie macht das theoretisch auch für große
Gruppen möglich. Die repräsentative Demokratie mit dem freien Abgeordnetenmandat
hat diese Form jedoch verboten. Es kann dann auch keine einfache Koexistenz von
imperativem Mandat und repräsentativer Demokratie geben. Hierzu sind kreative
Kompromisse gefragt, Nachdenken eben.
Im Mai-Heft des „Merkur“
gibt es einen guten Essay zu diesem Problem: Stefan Schulz, „Zwischen Netzwerk und Organisation. Zum Erfolg der Piratenpartei“. Er gehört zu den beiden
Artikeln, die der Merkur jeden Monat frei im Netz zugänglich macht. Auch die
gute alte Tante Merkur lernt hinzu.
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