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Dienstag, 3. September 2024

Der schönste deutsche Roman der letzten 15 Jahre: Alexander Schimmelbusch, „Blut im Wasser“



Dass es in der deutschen Gegenwartsliteratur einen bereits 2009 erschienenen wunderbaren kleinen Roman gibt, der eine gewisse Verwandtschaft mit Truman Capotes erstem Roman „Summer Crossing“ hat (2005 im Nachlass entdeckt) und sprachlich/kompositorisch von vergleichbarer Qualität ist, ist mir bisher entgangen. Solch ein Juwel wie „Blut im Wasser“ vermutet man doch gar nicht in der deutschen Literatur. Auch thematisch ähneln sich beide Bücher: eine tragische Liebesgeschichte im Upper Class Milieu.

Die Erstrezensenten hatten sich durchaus in dieser Richtung geäußert („Ganz große Oper“, FAZ; „130 Seiten hat dies kleine, unfassbar kluge Buch – damit man es zweimal lesen kann“, Jan Drees), aber dann wurde es schnell still um diesen so untypischen und aus dem gängigen Trend fallenden Roman und seinen offenbar eher bescheidenen Autor.

 Wahrscheinlich wegen der Publikation von Schimmelbuschs neuem Roman „Karma“ hat der  rororo – Taschenbuchverlag „Blut im Wasser“ gerade neu aufgelegt (2024, 14€). Wer sich  keinen neosprachlichen satirisch-stilistischen Sprachfiguren aussetzen will wie in „Karma“ – so sinnvoll wie sie da auch sind – findet hier die Begegnung mit einem faszinierenden Autor abseits der großen Medienaufmerksamkeit. Wahrscheinlich ist Upper Class als Romanmilieu hier und heute im merkwürdigen deutschen Verschmelzungsstaat absolutely not done. Aber der Mann, der hier schreibt, weiß worüber er schreibt, und schreibt über das, wovon er weiß.

Der Roman spielt zu einem großen Teil in der amerikanischen Hauptstadt Washington, da der der deutsche Sohn eines international ökonomisch erfolgreichen Vaters an der Georgetown University studiert hat und dort ein Haus besitzt. Der Autor führt uns früh im Roman aus der Perspektive seiner Figur  über mehrere Seiten am Gelände des Kapitols entlang, dem Zentrum der amerikanischen Identität, und erinnert uns an den 2001 beinahe Wirklichkeit gewordenen Plan islamistischer Attentäter, ein Flugzeug im Kapitol explodieren zu lassen. Das bleibt so im Roman hängen; wer will, kann eine Verbindung zur Erzählung knüpfen.

Wer das Buch jetzt zum ersten Mal liest, hat dabei auch das Geschehen vom Januar 2021 vor Augen: die Erstürmung des Kapitols durch die Gefolgschaften Donald Trumps. Wer will, kann auch hier die Verbindung zu der Erzählung knüpfen, die mehr als zehn Jahre zuvor entstanden ist.

Aber so offen politisch ist Alexander Schimmelbusch gar nicht. Er platziert alles untergründig, das Vergangene und das Zukünftige. Das Gegenwärtige aber lässt er uns in wunderbarer Sprache gnadenlos sehen.

Ich bin nicht der Einzige, der sich an Capote erinnert gefühlt hat. Und Jan Wiele spricht in seiner Rezension von „Karma“ (siehe Blogpost vom 1.9.) vom „deutschen Houellebecq … und mehr“.



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