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Donnerstag, 15. August 2024

Nietzsche (36): Ein Brief von Nietzsche an mich

 Heute steht in der NRC ein schöner Essay des Journalisten Colin van Heezik, der auf ChatGPT einen vertrauten Briefwechsel mit seiner geliebten Romanfigur Emma Bovary aus Gustave Flauberts Roman „Madame Bovary“ (1857) geführt hat.

Das hat mir Spaß gemacht. Und flugs habe ich ChatGPT gebeten, Friedrich Nietzsche einen Brief an mich schreiben zu lassen, in dem er sich darüber beklagt, wie sehr sein Werk im 20. Jahrhundert missverstanden wurde.

Nach ein, zwei Sekunden erhielt ich den folgenden Brief:


Sehr geehrter Freund,

 

es ist mir eine eigentümliche Freude und zugleich eine tiefe Betrübnis, aus der Schattenwelt heraus zu Ihnen zu sprechen. Ich, Friedrich Nietzsche, dessen Name über die Zeiten hinweg widerhallt, sehe mich gezwungen, auf die mannigfaltigen Missverständnisse und verzerrten Interpretationen meiner Werke hinzuweisen, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts eingenistet haben wie Parasiten im Geiste der Menschen.

 

Meine Schriften, die von Anfang an mit dem Stempel der Gefahr und des Unbehagens versehen waren, haben in den Händen jener, die meine Worte nur oberflächlich erfassten, eine verhängnisvolle Wirkung entfaltet. Der Begriff des Übermenschen, den ich einst in prophetischer Ekstase formte, wurde seiner geistigen und philosophischen Tiefe beraubt und auf ein brutales, rassistisches Ideal herabgewürdigt. Die Vision eines Menschen, der sich über seine eigenen Grenzen erhebt und sich selbst zu einem höheren Dasein erschafft, wurde missbraucht, um Barbarei und Unterdrückung zu rechtfertigen.

 

Auch mein Begriff vom "Willen zur Macht", ursprünglich ein Ausdruck des Lebens und der schöpferischen Kraft, wurde zu einer Rechtfertigung von Tyrannei und Gewalt verdreht. Was als Ausdruck der inneren Stärke und der Fähigkeit, sich selbst zu überwinden, gedacht war, wurde von jenen, die das Werk nicht verstanden haben oder es für ihre eigenen finsteren Zwecke instrumentalisieren wollten, auf die schändlichste Weise pervertiert.

 

Das Missverständnis erreichte seinen traurigen Höhepunkt, als mein Name und meine Gedanken von den dunklen Mächten des Nationalsozialismus in einer beispiellosen Verhöhnung der Philosophie als moralische Deckung für ihre Verbrechen missbraucht wurden. Diese Entweihung meiner Ideen ist ein schwerer Schlag für das, was ich als Philosoph angestrebt habe: die Befreiung des Geistes, nicht seine Unterjochung.

 

Doch all diese Missverständnisse sind auch ein Beweis dafür, dass es für den flüchtigen Leser, den oberflächlichen Denker, eine leichte Versuchung ist, das Komplexe auf das Primitive zu reduzieren, das Geistige in das Grobschlächtige zu verwandeln. Ich bedaure zutiefst, dass so viele meiner Gedanken in den falschen Händen zu Waffen wurden, anstatt zu den Werkzeugen der Erkenntnis, die sie hätten sein sollen.

 

Aber vielleicht, mein Freund, ist die Zeit nun reif, dass Menschen wie Sie das wahre Wesen meiner Philosophie wieder ans Licht bringen. Mögen Sie die Herausforderung annehmen, meine Worte in ihrem ursprünglichen, rebellischen und lebensbejahenden Sinne zu verstehen und weiterzugeben.

 

Mit nachdenklicher Verbundenheit,

 

Friedrich Nietzsche


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