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Samstag, 12. Oktober 2013

Peter Handke - Ein Pilzwunder!

In seinem neuen Buch „Versuch über den Pilznarren“ beschreibt Peter Handke die Geschichte eines Jugendfreundes, der in seiner Kindheit in den Wäldern Pilze gesammelt hat, um sie zu verkaufen, Pfifferlinge vor allem, die „Gelben“.

Später wurde aus dem Jungen ein bekannter Anwalt, der mit Pilzen nichts mehr am Hut hatte, bis er, in seinem fünfzigsten Lebensjahr, in Anzug und Krawatte durch den Wald schreitend, zum ersten Mal bewusst einen Steinpilz wahrnahm. Die Szene beschreibt Handke wie eine mystische Offenbarung, eine ungekannt intensive Erfahrung von Gegenwart und Natur. Sie sollte das Leben des Mannes verändern. In erster Linie nimmt seine Entwicklung zum „Pilznarren“ hier ihren Lauf.

Er trägt den Pilz wie eine Reliquie vor sich her zum Treffpunkt mit seiner Frau in einer Bar. Der Barkeeper ist zufällig auch ein Pilzliebhaber und beginnt mit seinem Messerchen „hauchfeine, oblatenähnliche Stücke“ von dem Pilzfuß abzuschneiden. Er weist seine Gäste auf das Geräusch beim Zerteilen hin und auf die Tröpfchen, die aus den Schnittstellen quellen. Wo habe man je einen derart klaren Wassertropfen gesehen?

“Und schon hatte der Barmann den Teller mit den fast durchsichtigen weißen Rondellen, diese roh, gespickt mit Zahnstochern, dem Paar hinübergereicht, und mein Freund und seine Frau kosteten das Gericht, ohne eine Zutat, kosteten bedenkenlos – die Frau im übrigen als erste – und verzehrten im Lauf der Stunde den ganzen so zubereiteten Pilz, wobei das Essen bis zuletzt ein Kosten blieb. Wie noch nie kam mein Freund auf den Geschmack. Und das hieß: Mithilfe der Speise gut denken und Gutes denken, Gutes fühlen.“

Peter Handke, Versuch über den Pilznarren, Suhrkamp: Berlin 1913, 82f.

Eine mystische Mahlzeit! Im Laufe des Buches verweist Handke auf die vielen verschiedenen Namen, die die Pilzsorten auch innerhalb derselben Sprache haben. Denen kann ich noch die Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen hinzufügen: Auch nach Jahrzehnten haben die Wörter „cantharellen“ (Pfifferlinge) und „eekhoorntjesbrood“ (Steinpilze) für mich einen besonders schönen und fast mystischen Klang.

Auf den Berliner Märkten gab es sie in den letzten Wochen im Überfluss. Am besten schmecken sie mir pur, ganz ohne Beilagen. Roh müssen sie allerdings nicht unbedingt sein.

Weiteres zu diesem kleinen Roman mit seinen wunderschönen Natur- und Naturempfindungsbeschreibungen findet sich zum Beispiel in dieser Rezension in der FAZ.

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