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Donnerstag, 10. April 2025

Der „Sitzende Jüngling“ von Jeltsema (6): Der „Sitzende Merkur“ aus Herculaneum (1)

Die Ausgrabungen von Pompeji und Herculaneum waren die kulturelle Sensation des 18. Jahrhunderts in ganz Europa. Einen Höhepunkt bildete die teilweise Freilegung der riesigen Villa dei papiri in Herculaneum ab 1750. Die Villa erhielt ihren Namen von der Bibliothek mit 2000 verkohlten Papyrusrollen, (die sich erst seit letztem Jahr mi Hilfe künstlicher Intelligenz teilweise entziffern lassen).

Aber es wurden auch Dutzende Skulpturen aus Marmor und Bronze gefunden. Die schönste von ihnen ist der 1758 entdeckte lebensgroße „Sitzende Merkur“. Das schreibt jedenfalls der heutige Ausstellungsfüher des Archäologischen Museums in Neapel, wo die Skulptur jetzt steht: „the most celebrated bronze of antiquity“.



Die Funde zogen schnell Tausende Besucher aus ganz Europa an. Die meisten blieben nur kurz, Mozart war da, Goethe war da. Der erste sachkundige deutsche Besucher, der Archäologe Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), blieb 1762 für zwei Monate und lieferte eine ausführliche Beschreibung der Entdeckungen in der Villa dei papiri. Auch er war begeistert vom „Sitzenden Merkur“:

„Der Mercurius aber, welcher unter allen Statuen zuletzt gefunden worden, ist die schönste unter allen: er sitzt, und das besondere sind dessen Flügel, welche an den Füßen gebunden sind, so daß der Heft von den Riemen, in Gestalt einer platten Rose, unter der Fußsohle steht, anzuzeigen, daß dieser Gott nicht zum Gehen, sondern zum Fliegen gemacht sey.“

(Sendschreiben von den Herculanischen Entdeckungen, (1762) Mainz 1997, p. 89)

Der Verschluß der Sandale unterm Fuß


Er wiederholte dieses Urteil in seinem Hauptwerk „Geschichte der Kunst des Altertums“ (Dresden 1764):

„Die vorzüglichste [Statue] ist ein sitzender Mercurius, welcher das linke Bein zurückgesetzt hat und sich mit der rechten Hand stützt, mit vorwärts gekrümmtem Leibe.(…). Von dem Caduceo [magischer Stab] ist in der linken Hand nur ein Ende geblieben; das übrige hat sich nicht gefunden, woraus zu schließen ist, daß diese Statue auswärts hergebracht sei, wo dieses Stück muß verloren gegangen sein: denn da dieser Mercurius, den Kopf ausgenommen, ohne alle Beschädigung gefunden worden, hätte sich auch dessen Stab finden müssen.“

Das stimmt zwar nicht ganz: Der Merkur war, wie viele andere Skulpturen auch, sehr wohl in viele Teile zerbrochen gewesen. Die Bronzegießerei in Neapel hatte alle Hände voll zu tun, die Beschädigungen zu reparieren. Das Gewerbe boomte, und im nächsten Schritt ging man zur Herstellung von hunderten Kopien der Funde über, insbesondere vom „Sitzenden Merkur“, der in allen Größen hergestellt und zum Lieblingsandenken von Tausenden Italienfahrern wurde. Die teure lebensgroße Kopie zierte bald die Museen der Hauptstädte Europas.


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