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Mittwoch, 21. September 2022

Meine kleine Ukraine-Bibliothek (20): Taras Schewtschenko, Der Kobsar

 

Taras Tschewtschenko, Selbstbildnis, 1858

Taras Schewtschenko (1814-1861) gilt als ukrainischer Nationaldichter. In der Hauptstadt Kiew wurden 1939 die Universität und die Oper nach ihm benannt. Während der Orangenen Revolution (2004) und des Euromaidan 2013/2014 zeigte sich auch die aktuelle Popularität des Dichters.

 

Das Hauptwerk Schewtschenkos erschien 1840 unter dem Titel „Der Kobsar“ und enthielt nur acht romantische Gedichte. Er hatte großen Erfolg damit, und hat es in den folgenden Jahren um ein Vielfaches erweitert.


Die deutsche zweibändige Ausgabe von 1951 umfasst 1000 Seiten und wurde von Alfred Kurella Im „Verlag für fremdsprachige Literatur“ in Moskau herausgegeben. Die acht Gedichte der ersten Ausgabe finden sich dort auf den Seiten 71-134 (ohne dass sie besonders gekennzeichnet wären). Kurella hat auch die meisten der Gedichte übersetzt.

 

Am Anfang der 40seitigen von Alexander Deutsch verfassten biographischen Skizze, die diese Ausgabe des Kobsar einleitet, stehen folgende Zeilen, die uns heute wie eine bittere Ironie anmuten:

 

„Frei und ungebunden lebt heute in den weiten Gefilden der Sowjetukraine das ukrainische Volk, von den Karpaten bis zum Donez, vom Pripet-Tal bis zum Schwarzen Meer in einem einzigen sozialistischen Staat vereinigt. Tausende Kilometer weit dehnen sich golden die Kolchosfelder, und über der endlosen Steppe flammt der rosenrote Widerschein der Hochöfen, ragen riesige Getreidespeicher auf, und die schwarzen Pyramiden der Abraumhalden im Grubengebiet des Donezbeckens wechseln ab mit gewaltigen, auch zur Nachtzeit Feuer strahlenden Werkhallen von Stahlgießereien, Maschinenbau- und Traktorenwerken.

Hand in Hand mit dem großen russischen Volk und den anderen Völkern der Sowjetunion schreitet das freiheitsliebende und begabte ukrainische Volk an der Spitze der fortschrittlichen Völker der Welt, die für einen dauerhaften Frieden und die fruchtbare Entwicklung ihrer nationalen Kultur kämpfen.

Über die weite Ukraine hin erklingen die frohen Lieder, in denen das Volk die schöpferische Arbeit, die errungene Freiheit seiner Kultur und die Genien der sozialistischen Revolution, Lenin und Stalin, besingt“ (Der Kobsar, S. 2f.).

 

(Wenn man bedenkt, dass 1951 der Holodomor noch keine zwanzig Jahre zurücklag und der Herausgeber Alfred Kurella ein widerlicher deutscher Stalinist war, muss dieser Text für redliche Leser auch damals schon unerträglich gewesen sein.)

Im Internet ist der komplette Text der Biographie von Anton Alfred Jensen: "Taras Schewtschenko, ein ukrainisches Dichterleben" (Wien 1916), frei zugänglich.


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