Was uns erwartete, war aber ein Wunderwerk aus einfachster
und modernster Bühnentechnik (Regie: Simon McBurney), eine Zauberflöte des 21. Jahrhunderts.
Die hymnische Rezension in der gestrigen NRC beschreibt viele dieser schönen
kleinen und großen Wunder, vergisst aber das wichtigste: Im Zentrum der Bühne
hängt an vier Stahlseilen ein quadratisches Podium von ca. acht mal acht
Metern, eine Bühne auf der Bühne, die sich in beliebige Stellungen und Höhen
bringen lässt. Sie dient der Darstellung der verschiedenen Handlungsorte. Mal
ist sie Berghang, Abgrund, Kellergewölbe, Himmel, mal Bondage-Wand (Anklänge an
Fifty Shades of Grey), mal riesiger Verhandlungstisch von Sarastros
Eingeweihten. Und durchgehend zeigt sie, leicht schwankend, den unsicheren
Boden, auf dem die Figuren sich bewegen.
Das schwebende Podium |
Dieses überaus einfache Bühnenelement bringt mit seinem Auf
und Ab und in Kombination mit digital avancierter Kulissentechnik eine Dynamik und
handlungsadäquate Bedrohlichkeit in die Aufführung, wie ich es bei der
Zauberflöte noch nie erlebt habe.
Die Wasser-Probe |
Der Verzicht auf sichtbare Freimaurersymbolik
und Eingeweihtenmystik, auch bei der Kleidung, die einheitlich und jetztzeitlich
ist, befreit die Oper bei fast völliger Texttreue von Kitsch und
Unzeitgemäßheit. Das ist absolut verblüffend!
Sarastro hält seine Rede an die Eingeweihten mit dem Mikrophon in der Hand vom Pult des
Dirigenten aus, und er richtet sie an das gesamte Opernpublikum. Die Priester,
der Chor und die Statisten sitzen auf einmal gleichfalls in bühnenfüllenden
Stuhlreihen auf der Bühne, und der ganze Saal wird zu der Versammlung, die
“eine der wichtigsten unserer Zeit” ist. Ein kleiner Eingriff in den Text lässt
das Publikum verstehen und erheitert es: “Wir alle leben in Zeiten der Krise”.
Anlässe zur Heiterkeit gibt es in dieser Inszenierung mehr als sonst, nicht nur bei den
Auftritten von Papageno.
Alle Beteiligten, die sonst bei einer Oper versteckt werden:
die Musiker, die Bild- und Tontechniker, die Bühnenarbeiter sind jederzeit
sichtbar und es wird gezeigt, was sie tun. Taminos Flöte wird aus dem Orchester
heraufgereicht und nicht Tamino spielt sie, sondern der Flötist kommt herauf.
Ein Hauch von epischem Theater dient sich an, aber all das ist irgendwie
wärmer als bei Brecht.
Die Mitarbeiter, ob Solo- oder Chorsänger, ob Tänzer, ob
Statist, bringen ein gemeinsames Produkt zur Aufführung und sind darin
gleichberechtigt: eine geniale Umsetzung des niederländischen Poldermodells in die künstlerische Welt der Oper.
Was die Sänger betrifft: Christina Landshamer war eine
großartige Pamina, Brindley Sherrat ein guter Sarastro und Marc Albrecht ein
flotter Dirigent. Mehr kann ich hier und heute nicht schreiben.
Zu den vielen Wundern dieser Aufführung lese man die
Rezension in der NRC oder diese Rezension bei Dradio, deren Kritik ich im
übrigen nicht teile. Der innovative Regisseur Simon McBurney gibt auf Youtube Auskunft zum Making Of:
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