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Dienstag, 11. Dezember 2012

Die Zauberflöte als Poldermodell der Oper: Bezauberndes aus Amsterdam

Beim Betreten des Saales eine Enttäuschung: die Bühne war öd und leer. Kein Vorhang, keine Kulissen. Nur eine graue, tiefe Fläche, ganz wie die eintönige Polderlandschaft, die wir gerade im Zug am Tage der Eröffnung der neuen Hanse-Linie (9. Dezember) durchquert hatten.

Was uns erwartete, war aber ein Wunderwerk aus einfachster und modernster Bühnentechnik (Regie: Simon McBurney), eine Zauberflöte des 21. Jahrhunderts. Die hymnische Rezension in der gestrigen NRC beschreibt viele dieser schönen kleinen und großen Wunder, vergisst aber das wichtigste: Im Zentrum der Bühne hängt an vier Stahlseilen ein quadratisches Podium von ca. acht mal acht Metern, eine Bühne auf der Bühne, die sich in beliebige Stellungen und Höhen bringen lässt. Sie dient der Darstellung der verschiedenen Handlungsorte. Mal ist sie Berghang, Abgrund, Kellergewölbe, Himmel, mal Bondage-Wand (Anklänge an Fifty Shades of Grey), mal riesiger Verhandlungstisch von Sarastros Eingeweihten. Und durchgehend zeigt sie, leicht schwankend, den unsicheren Boden, auf dem die Figuren sich bewegen.
Das schwebende Podium
Dieses überaus einfache Bühnenelement bringt mit seinem Auf und Ab und in Kombination mit digital avancierter Kulissentechnik eine Dynamik und handlungsadäquate Bedrohlichkeit in die Aufführung, wie ich es bei der Zauberflöte noch nie erlebt habe.


Die Wasser-Probe
Der Verzicht auf sichtbare Freimaurersymbolik und Eingeweihtenmystik, auch bei der Kleidung, die einheitlich und jetztzeitlich ist, befreit die Oper bei fast völliger Texttreue von Kitsch und Unzeitgemäßheit. Das ist absolut verblüffend!
Sarastro hält seine Rede an die Eingeweihten mit dem Mikrophon in der Hand vom Pult des Dirigenten aus, und er richtet sie an das gesamte Opernpublikum. Die Priester, der Chor und die Statisten sitzen auf einmal gleichfalls in bühnenfüllenden Stuhlreihen auf der Bühne, und der ganze Saal wird zu der Versammlung, die “eine der wichtigsten unserer Zeit” ist. Ein kleiner Eingriff in den Text lässt das Publikum verstehen und erheitert es: “Wir alle leben in Zeiten der Krise”. Anlässe zur Heiterkeit gibt es in dieser Inszenierung mehr als sonst, nicht nur bei den Auftritten von Papageno.

Alle Beteiligten, die sonst bei einer Oper versteckt werden: die Musiker, die Bild- und Tontechniker, die Bühnenarbeiter sind jederzeit sichtbar und es wird gezeigt, was sie tun. Taminos Flöte wird aus dem Orchester heraufgereicht und nicht Tamino spielt sie, sondern der Flötist kommt herauf. Ein Hauch von epischem Theater dient sich an, aber all das ist irgendwie wärmer als bei Brecht.
Die Mitarbeiter, ob Solo- oder Chorsänger, ob Tänzer, ob Statist, bringen ein gemeinsames Produkt zur Aufführung und sind darin gleichberechtigt: eine geniale Umsetzung des niederländischen Poldermodells in die künstlerische Welt der Oper.

Was die Sänger betrifft: Christina Landshamer war eine großartige Pamina, Brindley Sherrat ein guter Sarastro und Marc Albrecht ein flotter Dirigent. Mehr kann ich hier und heute nicht schreiben.
Zu den vielen Wundern dieser Aufführung lese man die Rezension in der NRC oder diese Rezension bei Dradio, deren Kritik ich im übrigen nicht teile.

Der innovative Regisseur Simon McBurney gibt auf Youtube Auskunft zum Making Of:


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